61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
unverständig gefunden?“
„Wollen erst sehen! Sind Sie in der Nachbarstadt bekannt?“
„So leidlich, Herr Seidelmann.“
„Kennen Sie das Kasino?“
„Nein. Ich weiß nur, daß eine Gesellschaft junger, feiner Herren diesen Namen führt.“
„Nun, ich bin Mitglied dieser Gesellschaft. Ich habe diese Herren für nächsten Dienstag nach hier geladen. Wir wollen uns ein Vergnügen machen. Es soll in der Schenke einen kleinen Maskenball geben. Haben Sie schon einmal so etwas gesehen?“
„Im ganzen Leben noch nicht!“
„Also auch noch nicht mitgemacht?“
„Erst recht nicht.“
„Nun, ich wollte Ihnen wünschen, einmal teilzunehmen. Aber das geht nicht; dazu muß man Geld haben. Aber, da fällt mir ein: Wir brauchen Tänzerinnen. Ist Ihre Tochter einmal auf einem Maskenball gewesen?“
„Auch nicht.“
„Gut, so werde ich sie einladen!“
Das hatte Hofmann geahnt. Sein Gesicht glänzte vor Freude.
„Werden auch andere eingeladen?“ fragte er.
„Von hier? Nein. Meine Freunde bringen ihre Damen mit. Sie kommen alle per Schlitten. Also, erlauben Sie mir, das Engelchen einzuladen?“
„Oh, ich habe ganz und gar nichts dagegen!“
„Das denke ich! Aber sie muß sich auch maskieren.“
„Das heißt, sie soll sich verkleiden?“
„Ja. Ich habe mir bereits ausgesonnen, daß sie als Italienerin kommen soll.“
„Davon verstehe ich nichts. Sie hat ja keinen Anzug, was sie dazu braucht.“
„Den besorge ich. Nur mache ich die Bedingung, daß sie nicht vorher wissen darf, wer sie einlädt!“
„Ich werde nichts sagen, Herr Seidelmann.“
„Gut! So sind wir also einig. Ich habe erwartet, daß Sie ja sagen werden, und bereits alles in Ordnung gebracht. Es ist ein Paket zur Post gegeben, welches der Briefträger noch heute bringen wird. Die Einladungskarte liegt dabei. Sie nun haben dafür zu sorgen, daß Ihre Tochter auch wirklich kommt.“
„Oh, die wird kommen! So etwas macht jede gern mit!“
„Hm! Wenn sie aber nun doch nicht will?“
„So wird sie müssen!“
„Pah! Selbst ein Vater kann seine Tochter nicht zu allem zwingen. Ich habe so eine Ahnung, daß sie gute Gründe hat, sich zu weigern.“
„Von solchen Gründen weiß ich nichts.“
„Hat sie keinen Geliebten?“
„Nein.“
„Ich denke, der Hauser läuft ihr nach?“
„Es ist möglich, daß der eine Absicht hat; aber gesagt hat er ihr noch kein Wort davon, und ich würde das auch ganz und gar nicht dulden.“
„Da sind Sie klug und weise. Also, versprechen Sie mir, daß die Engel kommt?“
„Sie kommt sicher.“
„So verlasse ich mich also darauf. Und da will ich denn einmal so nachsichtig sein und Ihnen den Fadenbruch verzeihen.“
„Und der Abzug?“
„Auch davon will ich absehen. Hier haben Sie fünf Gulden.“
Er gab ihm das Geld, und Hofmann ging fort, ganz glücklich, erstens darüber, so leichten Kaufs davongekommen zu sein, und sodann darüber, daß seine Tochter auserwählt war, von so feinen Herrschaften zum Ball geladen zu werden.
„Wie werden sich die anderen Mädels ärgern, wenn sie es hören!“ murmelte er vor sich hin. „Es gibt keine Zweifel: er ist vernarrt in sie, verliebt, ganz und gar verliebt. Es ist wahr, sie ist ein bildsauberes Mädel, und ich bin überzeugt, daß er sie heiraten wird. Aber dann, ja dann! Dann gucke ich keinen Nachbar mehr an!“
Und der Kaufmann blickte ihm unter einem schadenfrohen Lächeln nach und brummte:
„Dummkopf, der du bist! Wer weiß, was für Luftschlösser der Kerl jetzt baut! Ja, ein schönes Mädchen ist sie. Sie wird die Schönste von allen sein. Und nun gar als Italienerin! Diese Tracht! Kurzes Röckchen, offenes Mieder, tief ausgeschnitten! Dazu das Tanzen, der Wein, der Grog, den sie nicht gewohnt ist. Das wird ein famoser Abend!“
In diesem Augenblick war es, daß der Schlitten, welchen Hauser und der alte Barbier gesehen hatten, herbeigesaust kam. Er hielt vor dem Haus.
„Donnerwetter, der Onkel!“ sagte der Kaufmann zu sich selbst. „Das ist eine Überraschung! Da ist irgend etwas wichtiges im Werk!“
Er eilte hinaus, um den Ankömmling zu empfangen. Dieser hatte bereits die Decken von sich geworfen und den Schlitten verlassen. Er öffnete die Arme und sagte in salbungsvollem Ton:
„Ich komme wie der Engel des Herrn zu Abraham in den Hain Mamre. Sei gegrüßt in dem Herrn, du Sohn meines geliebten Bruders!“
Sie umarmten und küßten sich.
„Willkommen, Onkel!“ sagte Seidelmann. „Du überraschst uns auf die
Weitere Kostenlose Bücher