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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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prüfen, ob sich vielleicht ein Fehler eingeschlichen habe. Auch diese Stube war klein, hatte aber ein offenbar behäbigeres Aussehen als die Wohnung Hausers. Dieser hatte sechs Kinder, während Engelchen das einzige Kind ihrer Eltern war. Das gibt einen Unterschied.
    Ihr Vater hatte jenes gebrochene Profil, welches dem Gesicht einen nicht angenehm zu nennenden Ausdruck gibt. Er warf ihr einen zürnenden Blick zu und fragte:
    „Wo warst du jetzt?“
    „Ich habe Wasser geholt.“
    „Du selbst?“
    Sie zog es vor, nicht zu antworten, und machte sich mit ihrer Arbeit zu schaffen.
    „Nun wie wird's?“ fragte er scharf. „Erhalte ich Antwort?“
    „Der Eduard ist für mich gegangen“, sagte sie.
    „Der Eduard und immer der Eduard!“ zürnte er.
    „Hast du etwas gegen ihn?“
    „Eigentlich nicht. Er ist ein guter Bursche, aber ein Habenichts!“
    „Wir sind auch nicht reich, Vater!“
    „Gerade das ist aber Grund genug, danach zu trachten, daß wir es werden.“
    Sie warf einen ganz erstaunten Blick auf ihn.
    „Wir? Reich werden?“ fragte sie. „Das kann wohl vor dem Jüngsten Tage nicht werden!“
    „Oh, das kann sehr bald werden! Du bist jung und hübsch. Es gibt wohlhabende Burschen, welche ein Auge auf dich geworfen haben.“
    Sie errötete und antwortete:
    „Ich brauche keinen.“
    Da trat er vom Tisch auf sie zu und sagte:
    „Keinen außer dem Eduard! Nicht wahr? Oder ist er etwa nicht dein Schatz?“
    „Nein“, antwortete sie einfach.
    „Das machst du mir nicht weis! Ich kann mir sehr leicht denken, was hinter meinem Rücken geschieht!“
    „Nichts, gar nichts ist geschehen!“
    „Er hat noch nicht von Liebe und dergleichen mit dir gesprochen?“
    „Kein Wort!“
    „Hm! So ist er dumm genug, dümmer, als ich dachte. Wie gesagt, ich habe nichts, gar nichts gegen ihn, als daß da drüben bei ihm die Armut zu Hause ist. Ihr paßt nicht zueinander. Ich dachte, ihr wäret im stillen einig miteinander geworden. Um so besser, wenn es nicht der Fall ist; denn mein Ja hätte ich nicht dazu gegeben. Jetzt weißt du, woran du bist, und kannst dich danach richten.“
    Er legte sein Arbeitsstück zusammen, zog den Rock an und ging dann, um das erstere zum Kaufmann zu tragen. Dies war Seidelmann, in dem Haus mit der Marmorplatte. Der Weber trat durch eine Tür, an welcher das Wort ‚Kontor‘ zu lesen war. In dem Zimmer stand ein junger Mensch an einem Stehpult. Er schien mit einem großen Buch beschäftigt gewesen zu sein. Sein Gesicht heiterte sich zusehends auf, als er den Eintretenden erblickte.
    „Ah, Hofmann, Sie sind es!“ sagte er. „Wieder ein ganzes Stück fertiggebracht in dieser Woche?“
    „Ja, ein ganzes. Es hat mir aber große Mühe gemacht. Das Garn war ungewöhnlich schlecht.“
    „Oho! Das glauben Sie selber nicht. Sie wissen ganz genau, daß ich für Sie immer das beste Material aussuche.“
    Hofmann machte ein pfiffig ungläubiges Gesicht.
    „Sie zweifeln daran?“ fragte der Kaufmann. „Ich darf das gar nicht meinen Vater merken lassen. Na, zeigen Sie Ihre Ware her.“
    Er sah die Arbeit oberflächlich durch.
    „Hm!“ brummte er dabei. „Hier haben Sie einen Fadenbruch. Haben Sie ihn nicht selbst bemerkt?“
    „Ich habe ihn gesehen; aber es läßt sich nun nicht ändern.“
    „Das wird aber Abzug geben!“
    „Wegen eines Fadenbruches?“
    „Natürlich! Ein anderer dürfte mir mit so einem Fehler gar nicht kommen. Ich zahle Ihnen ja bereits mehr als jedem anderen Arbeiter. Für diese Arbeit gebe ich, wenn sie fehlerfrei ist, vier Gulden; Ihnen habe ich fünf gegeben. Wissen Sie, warum?“
    „Nein, Herr Seidelmann. Ich habe gedacht, ich bekomme mehr, weil ich besser arbeite als andere.“
    Der junge Kaufmann lachte ihm ironisch entgegen und sagte:
    „Das lassen Sie sich nur ja nicht einfallen. Sie arbeiten nichts weniger als gut. Keiner bringt mir so fehlerhafte Stücke wie Sie. Wenn ich nachsichtig gegen Sie bin, so habe ich meine Gründe. Mein bester Arbeiter ist der Hauser-Eduard. Er hat nie einen Fehler und bringt doppelt soviel fertig als Sie. Wenn ich ihm trotzdem nicht gut bin, so hat dies auch seine Gründe. Ich werde Ihnen heute zwei Gulden abziehen müssen!“
    Der Weber erschrak. Zwei Gulden, das war für seine Verhältnisse schon ein bedeutendes Geld.
    „Einen Abzug von zwei Gulden!“ sagte er. „Das werden Sie mir doch nicht antun!“
    „Hm! Vielleicht lasse ich mich erweichen, vorausgesetzt, daß Sie verständig sind.“
    „Haben Sie mich jemals

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