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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Es darf ja auch von mir kein Mensch ahnen, weshalb ich mich hier befinde.“
    „Das beruhigt mich. Aber auf welche Weise wollen Sie denn eine Spur des Pascherkönigs entdecken?“
    „Darüber bin ich mir selbst noch nicht klar. Ich muß erst rekognoszieren, um mir ein Urteil zu bilden. Gesehen hat ihn niemand?“
    „O doch! Aber man weiß, daß auch ein jeder, der nicht sein Untergebener ist, sterben muß, unbedingt sterben, wenn er ein Wort über so ein zufälliges Zusammentreffen verliert. Dennoch aber sagt man sich heimlich, der Pascherkönig sei ein langer, schmächtiger Mann, und seine Kleidung bestehe aus einer kurzen, enganliegenden Jacke, einem breitkrempigen Hut, einer Maske über dem Gesicht und langen Stiefeln, in deren Schäften die Hosen stecken. Um den Leib hat er einen langen Gurt, in welchem Messer und Revolver stecken, und ohne Flinte ist er nicht zu treffen.“
    „Diese Kleidung ist nicht ungewöhnlich; man trägt sie hier fast allgemein. Na, ich werde sehen!“
    „Und ich wünsche Ihnen Glück, zweifle aber am Gelingen!“
    „Warum?“
    Der Förster überflog Arndts Gestalt mit einem prüfenden Blick und antwortete dann:
    „Sie sind sehr kräftig gebaut und scheinen in Ihrer Jugend gewandt und beweglich gewesen zu sein. Bei Ihrem jetzigen Alter und bei der gegenwärtigen Witterung können Sie den Mühen und Gefahren nicht gewachsen sein, denen Sie sich unterwerfen müßten, um den König zu fangen. Man hat die ganze Gegend mit Militär besetzt – ohne den geringsten Erfolg. Werden Sie als einzelner glücklicher sein?“
    „Mein lieber Herr Förster, die rohe Gewalt tut es am allerwenigsten. Ich weiß nicht, ob ich mich vor dem Waldkönig Mann gegen Mann zu fürchten hätte; auch kann ich nicht sagen, ob ich ihm, der doch jedenfalls eine große Portion Verschlagenheit besitzt, an List gewachsen bin, aber versucht muß es doch werden. Einen großen Vorteil aber habe ich vor ihm voraus.“
    „Wirklich? Und der wäre?“
    „Ich weiß, daß ich ihn suche, er dagegen hat keine Ahnung von meiner Absicht; das ist ein großer Vorteil.“
    „Vielleicht auch nicht. Wie viele in der Residenz wissen, daß sie den Fürsten des Elends suchen. Haben sie ihn gefunden?“
    „Hm! Ich vielleicht würde ihn finden!“
    „Sapperlot! Wie wollten Sie das anfangen?“
    „Zunächst würde ich mir sagen, daß er es weiß, daß man ihn entdecken will, und daß er sich also wohl hinter verschiedenen Gestalten verbergen wird. Er erscheint vielleicht in hunderterlei Weisen, bald so und bald so, bald jung und bald alt, bald mit und bald ohne Bart, bald dick und bald schlank, die Kleidung, Sprache und so weiter gar nicht mitgerechnet.“
    „Das wäre mir unbegreiflich! Man kann wohl die Kleidung verändern, weiter aber nichts. Einer Perücke oder einem Bart sieht man es ja sofort an, ob er Natur ist oder nachgemacht.“
    „Meinen Sie? Wollen sehen!“
    Er stand vom Kanapee auf und trat an die Ofenbank, auf welcher ein gefülltes Waschbecken stand. Er tauchte einen Zipfel seines Taschentuches in das Wasser und fragte dann:
    „Für wie alt halten Sie mich?“
    „Vierundsechzig ungefähr.“
    „Und jetzt?“
    Er griff nach seinem Haar. Ein rascher Ruck, und er stand mit einem vollständig schwarzgelockten Kopf da.
    „Herrjeses!“ rief die Försterin. „Können Sie hexen?“
    „Nein. Aber haben Sie bemerkt, daß mein graues Haar ein künstliches ist?“
    „Mit keinem Blick!“ antwortete der Förster.
    „Sie sehen ein, daß ein geheimer Polizist zuweilen auch Ursache hat, nicht erkannt zu sein. Ich bin hinreichend mit Gegenständen versehen, welche mich unkenntlich machen. Für wie alt halten Sie mich denn jetzt, lieber Vetter?“
    „Sapperlot! Für zehn Jahre jünger als vorher.“
    „Also für ungefähr vierundfünfzig. Aber jetzt?“
    Er fuhr sich mit dem nassen Zipfel seines Taschentuches rasch einige Male über das Gesicht. Die vorher blasse Farbe desselben war einem dunklen Teint gewichen. Der alte Wunderlich riß den Mund weit auf, starrte ihn verwundert an und sagte dann:
    „Gott stehe mir bei! Jetzt sind Sie kaum fünfzig!“
    „Und jetzt?“
    Er zog ein kleines Flakon aus der Tasche, träufelte aus demselben einige Tropfen auf das Tuch und wischte sich mit dem letzteren langsam über das Gesicht. Sofort war die bräunliche Farbe verschwunden, und die beiden alten Leute erblickten nun ein aristokratisch feines Gesicht, welches jene schöne, aber nicht im mindesten krankhafte Blässe zeigte, die

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