61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
außerordentlicher Kerl; das habe ich längst bemerkt; jetzt aber steht mir all mein Verstand stille! Haben Sie denn mit ihm gesprochen?“
„Ja, freilich!“ nickte Arndt.
„Und ihn also auch gesehen?“
„Natürlich!“
„Hat er Ihnen vielleicht gesagt, wer er ist?“
„Nein, gerade das hat er nicht getan. Vielleicht hat er gedacht, daß ich es weiß, ohne daß er es mir sagt. Doch genug hiervon! Ich muß Ihnen nur noch sagen, daß ich keine pekuniären Opfer fordere. Ich werde alles bezahlen.“
„Das fehlte noch! Einer, den mir mein Freund Brandt schickt! Einer, der mit dem Fürsten des Elends gesprochen und ihn sogar gesehen hat! Und mich bezahlen! Viel eher schlägt das Wetter drein, ehe ich einen Kreuzer nehme! Ich bin ein armer Teufel, aber zu hungern brauche ich nicht. Sie kriegen, was wir selbst haben. Wer mehr gibt, als er hat, der ist ein Schuft, und das bin ich nicht. Abgemacht?“
„Gut, abgemacht, und das übrige vorbehalten! Hier meine Hand! Die Frau Muhme mag jetzt sehen, ob sie etwas zu essen für uns findet; Sie aber, Herr Vetter, zeigen mir einmal das Stübchen, in welchem meine Koffer sind!“
„Schön! Kommen Sie! Vornehm sind wir nicht eingerichtet; aber ein Bett werden Sie haben, einen Tisch, einen Stuhl, einen Spiegel und sogar einen Stiefelknecht. Den habe ich selber aus einem birkenen Gabelzweig geschnitten.“
Er führte ihn nach dem Giebelstübchen, welches eine Treppe hoch lag. Draußen war der Mond aufgegangen, und der Schneefall hatte fast gänzlich aufgehört. Der Förster trat an das kleine Fenster, deutete nach dem Wald und fragte:
„Sehen Sie da drüben die drei Riesentannen stehen?“
„Jawohl, ich sehe sie.“
„Nahe bei der mittleren hat der ermordete Grenzer gelegen.“
„Das ist ja gar nicht weit von hier!“
„Ganz und gar nicht. Wollen wir morgen vormittag einmal zusammen hingehen?“
„Auch ich wollte diese Frage aussprechen. Wir gehen, und Sie haben die Güte, mir an Ort und Stelle alles ausführlich zu berichten. Vielleicht komme ich auf eine Idee. Sie müssen nämlich wissen, daß eine gute Idee oft mehr wert ist als eine vollendete materielle Tatsache.“ –
Unterdessen hatte Eduard Hauser seinen Heimweg beendet. Bei dem Gedanken an die Seinigen schlug ihm das Herz vor Freude. Einen Schlitten voll Holz und Kohlen; oben darauf einen großen Korb voll Eßwaren und allerlei Küchennotwendigkeiten. Das waren Dinge, welche zu erlangen ihm vor einer Stunde noch als unmöglich erschienen war. Und jetzt!
Die Straße führte bergab. Er stellte sich hinten auf die Kufen und ließ den Schlitten laufen, indem er ihn dadurch lenkte, daß er zuweilen mit dem betreffenden Fuß den Boden berührte. So gelangte er sehr bald in die Nähe des Städtchens, wo der Weg sich wieder hob und er sich also vorspannen mußte. Aber diese Arbeit wurde ihm leicht.
Vor der Tür des Elternhäuschens hielt er an, ließ den Schlitten einstweilen stehen und begab sich nach der Wohnstube. Bereits vor der Tür hörte er die Stimme des Vaters:
„Kein Leiden kommt von ungefähr;
Die Hand des Höchsten schickt es her;
Sein Rat hat's so ersehen.
Drum sei nur still,
Und was Gott will,
Laß immer gern geschehen!“
Als er die Tür öffnete, wehte ihm eine Luft entgegen, welche ihm noch eisiger als die äußere zu sein schien. Die Seinigen saßen zusammengedrängt um den Tisch, um sich aneinander zu erwärmen. Bei dem Ofen kniete – Engelchen, bemüht, mittels einiger Scheitchen Holz ein ärmliches Feuer anzufachen.
„Er kommt! Er ist da!“ riefen die kleinen Geschwister.
„Ja, da ist er! Gott sei Dank!“ sagte die Mutter, der es anzusehen war, daß sie Angst um ihn ausgestanden hatte.
Angelika erhob sich von der Diele und fragte ihn:
„Aber Eduard, wo bist du denn gewesen? Wir alle haben Sorge um dich gehabt. Du warst fort, bei diesem Wetter!“
„Und ob ich schon wandle im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück“, rezitierte der Vater; „denn Du bist bei mir; Dein Stecken und Stab trösten mich!“
Eduard rieb sich, ohne auf die einzelnen Fragen, welche man an ihn richtete, einzugehen, die Hände und sagte:
„Wie kalt! Habt ihr kein Feuer gehabt?“
„Ein bißchen nur“, antwortete die Mutter.
„Hat euch der Nachbar nicht ausgeholfen?“
„Fünf Scheitchen Holz hat er uns geborgt. Mehr könnte er nicht tun, sagte er, da es mit seinem Vorrat noch bis zum Ende des Winters reichen müsse.“
„Und Kohlen?“
„Gar keine. Er hatte selbst nur
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