61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
zum Tanz?“
„Nie.“
„Das ist freilich fatal!“
„Es ist ihr leider nichts nachzuweisen. Sie lebt nur in ihrer Familie; sie besucht nicht einmal eine Rockenstube.“
„So bist du ganz gewiß, daß sie dich als Vater angibt?“
„Ganz gewiß!“
„Aber dir fällt ja der Schwur zu!“
„Das weiß ich wohl, doch werde ich gar nicht zum Eid kommen. Sie kann nämlich beweisen, daß ich es bin, der sie in der Kammer aufgesucht hat.“
„Das wäre allerdings verteufelt unangenehm! Die Ehre deines und unseres Namens würde verloren sein! Weißt du vielleicht, welchen Beweis sie zu erbringen vermag?“
„Ja. Sie hat mir während der Gegenwehr, welche sie leistete, einen Ring vom Finger gezogen. Den hat sie behalten. Wenn sie ihn vorzeigt, kann ich nichts machen.“
Da trat August Seidelmann einen Schritt zurück, schlug die Arme über die Brust, betrachtete seinen Neffen mit überlegenem Blick, stieß ein kurzes Lachen aus und sagte:
„Fritz, Fritz, bist du denn mit Blindheit geschlagen?“
„Ich blind? Wieso?“
„Sagt nicht der Heiland: Petro, stecke dein Schwert in die Scheide, denn wer mit dem Schwert sündigt, der wird durch das Schwert umkommen?“
„Was geht mich dein Petrus an! Ich verstehe dich nicht, rede darum deutlicher!“
„Das soll heißen: Wer anderen eine Grube gräbt, der fällt selbst hinein. Das Mädchen muß in ihre eigene Grube stürzen. Die Schlinge, welche diese Dirne dir legt, wird sich um ihren Hals zusammenziehen!“
„Das wäre mir allerdings unendlich lieb; ich begreife nur nicht, wie es ermöglicht werden soll.“
„So höre! Der Ring ist dein, wirklich dein?“
„Ja. Ich habe ihn gleich am anderen Morgen vermißt. Ich wußte, daß ich ihn bei ihr anstecken gehabt hatte.“
„Hast du mit ihr davon gesprochen?“
„Ja. Sie hat gesagt, daß sie suchen will; aber später sagte sie, daß ich selber suchen solle. Sie kehrte nämlich an demselben Tag zu ihren Eltern zurück. Sie war nur eine Woche lang als Aushilfe bei uns.“
„Ist der Ring wertvoll?“
„Ich habe fünfzehn Gulden bezahlt.“
„Hat sie auch dich zu bedienen gehabt? Ist sie auch in deinem Zimmer gewesen, vielleicht gar während deiner Abwesenheit?“
„Täglich einige Male.“
„Und du siehst nicht ein, daß sie den Ring gestohlen hat!“
Fritz trat einen Schritt zurück, riß die Augen auf und rief:
„Alle Teufel! Du hast recht!“
„Mit Hilfe dieses Diebstahls will sie Geld, Alimente von dir erpressen! Bist du mit dem Gerichtspersonal bekannt?“
„Sehr gut sogar. Einige Mitglieder des Amtspersonals sind in unserem Kasino.“
„Der erste Zug gewinnt; wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Du mußt diesem Mädchen und ihrem Vater zuvorkommen.“
„Du meinst, daß ich Anzeige machen soll?“
„Natürlich! Ihren Vater jagst du aus der Arbeit!“
„Hm! Das geht nicht! Wir bekommen keinen Mann wieder, der so ist wie er. Er ist treu und zuverlässig und arbeitet für drei. Das muß ich aufrichtig gestehen. Übrigens hat er mir gekündigt.“
„Hat er eine andere Stelle?“
„Ja; aber ich werde dafür sorgen, daß er sie nicht erhält!“
„Das ist klug. Das Mädchen muß arretiert werden, und ihren Vater zwingst du, bei dir zu bleiben. Das wird zu deinem Ruhm dienen, denn man wird sich sagen, daß du dem Vater nicht entgelten läßt, was die Tochter gesündigt hat. Ich hoffe, daß du meinen Rat befolgen wirst!“
„Er ist der beste, den du mir geben kannst. Du bist ein Schlaukopf vom Scheitel bis zur Zehe. Ich danke dir, Onkel!“
„Schon gut! Laß keinen Augenblick vergehen. Die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder der Seligkeit. Man darf ihnen keinen Augenblick des Überlegens gönnen.“
Er ging. Fritz nahm einen Briefbogen und schrieb:
„Lieber Freund!
Soeben erfahre ich zu meinem allergrößten Erstaunen, daß Du unseren Schreiber engagieren willst. Ich hoffe, daß dieses Gerücht ein ersonnenes ist! Du weißt, wie wir stehen, und daß Du zum großen Teil mit unserem Kapital arbeitest. Sollen wir vielleicht von Dir selbst gezwungen werden, es Dir zu entziehen?
Fritz Seidelmann.“
Er adressierte den Brief und klingelte. Nach wenigen Augenblicken trat ein junger Bursche ein, der hier im Geschäft als Markthelfer angestellt war.
„Du gehst jetzt sofort in die Kreisstadt, um dem Kaufmann Strauch diesen Brief zu bringen; weißt du, dem, welcher Mitglied unseres Kasinos ist!“
„Ich weiß es, Herr Seidelmann.“
„Vorher aber gehst du zum
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