61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
hier eingezogen? Vergessen auch hier die in die Christenheit aufgenommenen Seelen, was zu ihrem Frieden dient?“
„Freilich! Diese Seelen werden zu üppig. Sie wollen indische Vogelnester und Kaviarsemmeln essen. Der Schreiber verlangte, denke dir nur, Gehaltszulage!“
„Ziehe ihm zehn Gulden monatlich ab!“
„Und sodann ist er ohne meine Erlaubnis, sogar gegen meinen Befehl fortgegangen, noch ehe er mit seiner Arbeit fertig geworden ist.“
„Warum?“
„Er sagt, seine Frau sei krank.“
„Gott wird ihr helfen, darum mußte er bei der Arbeit bleiben.“
„Er sagte, er sei zur Sonntagsarbeit nicht verpflichtet.“
„So kennt er nicht die Gebote der Heiligen Schrift. Der Heiland sagt, daß man den Ochsen und den Esel, welcher des Sonntags in eine Grube fällt, herausziehen soll. Mit diesen Worten gebietet und heiligt er die Sonntagsarbeit. Wäre ich hiergewesen, so hätte ich diesem Schreiber den Standpunkt klargemacht. Er hätte sich auf keinen Fall entfernen dürfen.“
Fritz hatte beide Hände zusammengelegt und schritt unruhig im Zimmer auf und ab. Jetzt blieb er vor dem Heiligen stehen und sagte:
„Onkel August, du bist ein gewiefter, spitzfindiger Kerl. Du hast schon manches glattgemacht, was bei anderen nicht eben werden wollte. Ich muß dich um einen guten Rat ersuchen.“
„Sprich, lieber Fritz! Du machst ein ganz ungewöhnliches Gesicht. Ich hoffe nicht, daß dir etwas Schlimmes widerfahren ist!“
„Und doch ist es so! Ich befinde mich in der Klemme; ich bin in eine schauderhafte Verlegenheit geraten!“
„Das klingt ja wirklich schlimm! Heraus damit, wenn du meinst, daß mein Rat dir nützen kann!“
„Jawohl, heraus muß es! Mit dem Vater mag ich vorerst nicht darüber sprechen. Es ist eine miserabel diskrete Sache. Erinnerst du dich des hübschen Dienstmädchens, welche bei deinem letzten Besuch zu Ostern bei uns war?“
„Du meinst das kleine, bildsaubere Ding mit dem schwarzlockigen Haar?“
„Ja.“
„Die war allerdings zum Anbeißen. Ich bin ein Diener der Seligkeit; aber ich versage dem Schöpfer niemals meine Bewunderung, wenn ich eines seiner Meisterwerke erblicke.“
„Nun, ich bewunderte damals das Werk mehr als den Schöpfer.“
„Das war nicht christlich von dir. Ich ahne, daß du nicht bei der bloßen Bewunderung stehengeblieben bist.“
„Allerdings nicht! Ich wollte das Mädchen haben; aber sie war verteufelt spröde! Sie ließ sich nicht angreifen!“
„Das war tugendhaft von ihr!“
„Pah! Tugend! Berechnung war es! Das weibliche Geschlecht ist zur Liebe geboren; die Liebe von sich zu weisen, heißt, den Willen des Schöpfers mißachten.“
Über das glatte Faunsgesicht des Heiligen zuckte ein ganz und gar undefinierbares Lächeln.
„Ich widerspreche dir nicht“, sagte er. „Hat doch auch Judith zu Ehren des Herrn und zur Rettung ihres Volkes das Lager des Holofernes geteilt! Also, du wurdest abgewiesen?“
„Leider! Und wie! Sie drohte sogar mit Ohrfeigen!“
„Ein streitbares Mädchen!“
„Ich mußte zur List greifen. Ich schlich mich in ihre Kammer. Sie schlief, und da –“
Er hielt inne. Sein Oheim nickte ihm zu und fragte:
„Und da – was weiter?“
„Das kannst du dir denken. Sie hat sich zwar gewehrt wie ein Teufel; sie hat sogar um Hilfe gerufen, aber das hat ihr nichts nützen können.“
„Lieber Fritz, das kann ich nicht gutheißen. Laß dir mit den Worten der Heiligen Schrift sagen, daß –“
„Halt ein, Oheim! Bleibe mir mit deinen Bibelsprüchen fern! Ich weiß doch, wie wir zueinander stehen, und was ich von dir zu halten habe. Hilf mir lieber aus der Patsche!“
„Na, worin besteht denn diese?“
„Nun, das Mädchen ist die Tochter unseres Schreibers. Heute verlangt der Kerl von mir, seiner Tochter Alimente zu zahlen.“
Der Oheim machte eine Bewegung des Erstaunens.
„Das hat er gewagt, wirklich gewagt?“ fragte er.
„Wirklich!“
„Philister über dir, Simson! Ergreife die Säulen des Gebäudes und brich es zusammen!“
„Das mag der Teufel fertigbringen! Ich bin kein Simson und kein Riese; in dieser Angelegenheit am allerwenigsten!“
„Das Mädchen ist also in Hoffnung?“
„Sie erwartet ihre Stunde.“
„Fritz, Fritz, was für ein gottloser, und was noch viel, viel schlimmer ist, was für ein unvorsichtiger Mensch bist du geworden?“
„Hofmeistere nicht! Gib mir lieber einen guten Rat!“
„Hat sie einen Geliebten?“
„Sie hat niemals einen gehabt.“
„Geht sie
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