61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Gendarm. Ist er zu Hause, so soll er sogleich zu mir kommen.“
Der Markthelfer entfernte sich mit dem Brief, um diese Befehle auszurichten. Er war kaum fort, so kehrte der Oheim zurück. Er hatte ein Zeitungsblatt in der Hand und fragte:
„Hast du den heutigen ‚Stadt- und Landboten‘ bereits gelesen, Fritz?“
„Nein.“
„Da, horch, diesen kurzen Artikel! Wenn das wahr ist, so können wir uns nur in acht nehmen!“
Er las folgende Zeilen vor:
„Jedermann weiß, daß vor nun bereits längerer Zeit ein geheimnisvolles Wesen in der Residenz aufgetaucht ist, welches die dortigen Einwohner auf unbegreifliche Weise mit Wohltaten überschüttet und sich dabei als ein furchtbarer Feind der Verbrecherwelt erweist. Man hat diesem sich in das tiefste Dunkel hüllende Wesen den Namen ‚Fürst des Elends‘ gegeben.
So poetisch dieser Name klingt, der Träger desselben gehört doch nicht in das Reich der Poesie, sondern in dasjenige der Wirklichkeit, wie sich jetzt von neuem ersehen läßt. Der Fürst des Elends scheint nämlich seit kurzem seinen Weg auch in unsere Gegend zu finden.
Vorgestern erhielt der Bürgermeister von Zackengrün, wo bekanntlich der Hungertyphus grassiert, von einem Unbekannten fünftausend Gulden für die Leidenden eingehändigt. Nach seinem Namen gefragt, sagte der Fremde, daß er der Fürst des Elends sei, und verschwand.
An demselben Tag wurde der Pfarrer von Bodenbach, wo kürzlich vier Maurer verschüttet und tot unter den Trümmern hervorgezogen wurden, von einem unbekannten Herrn besucht, welcher ihm für jede der armen, betroffenen Familien fünfhundert Gulden einhändigte. Er nannte sich den Fürsten des Elends und zog sich so schleunig zurück, daß ihm der würdige Geistliche nicht einmal zu danken vermochte.
Ferner weiß man, daß sich seit einiger Zeit in unserem eigenen Ort falsche Spieler herumtreiben. Es will der Polizei trotz anstrengendster Tätigkeit nicht gelingen, ihrer habhaft zu werden. Da empfängt der Bürgermeister einige Zeilen, in denen der Ort angegeben ist, an welchem sich die Gauner des Abends befinden werden. Der Wink wurde befolgt, und am Abend gerieten drei der berüchtigtsten Kümmelblättler in die Hände der rächenden Nemesis. Der eine ist Diener des Barons Franz von Helfenstein gewesen, welchem letzteren Herrn bekanntlich das Kohlenbergwerk ‚Gottes Segen‘ gehört, welches in der Nähe unseres Nachbarortes liegt. Die Zeilen aber waren mit dem Namen ‚Fürst des Elends‘ unterschrieben. Die Gauner hatten bereits mehrere Familien unglücklich gemacht. Man nahm ihnen eine reiche Beute ab, welche nun vielleicht den unvorsichtigen Opfern zurückerstattet werden kann.“
Fritz hatte aufmerksam zugehört. Jetzt aber sagte er:
„Das ist allerdings höchst interessant, uns aber kann es doch nicht interessieren!“
„Nicht? Oh, im Gegenteile, sehr!“
„Wieso?“
„Ich habe in der Residenz die Beobachtung gemacht, daß dieser sogenannte Fürst des Elends es ganz besonders auf unseren Baron abgesehen zu haben scheint.“
„Das wäre allerdings sehr auffällig!“
„Nicht nur auffällig, sondern sogar beängstigend. Warum wird hier gerade dieser Diener besonders erwähnt? Doch wohl, um dem Baron einen Seitenhieb zu versetzen. Hast du eine Ahnung, wer gemeint ist?“
„Jedenfalls Louis Helbig. Der Kerl gehört zu uns, hat uns aber mit seiner Spielwut schon bedeutend zu schaffen gemacht. Ich habe gestern gehört, daß er arretiert worden ist.“
„So müssen wir die Ohren spitzen. Bisher ist alles gutgegangen. Wir müssen kühn, aber auch vorsichtig sein. Ich werde mich um diesen Fürsten des Elends etwas mehr kümmern als bisher. Wenn er uns über den Weg laufen will, so mag er sich in acht nehmen, daß er nicht zu Fall kommt!“
„Nimm du dich selbst in acht!“
„Pah! Wer vermutet in dem Vorsteher meines Vereins – den – na, es ist ja nicht notwendig, das Wort auszusprechen. Ja, die Frömmigkeit ist die beste Maske, die es gibt.“
„Sollte es wirklich keine bessere geben?“
„Nein. Wer die Böcke kennenlernen will, muß die Schafe von ihnen zu scheiden wissen. Wir arbeiten an der Aufgabe, die Besitzer der Millionen zu werden, welche der Baron zusammenträgt. Er arbeitet mit der Verbrecherwelt. Um solche Arbeiter zu finden, muß man zuvor die Guten kennenlernen. Das tue ich, indem ich mich dem Beruf gewidmet habe, ein Prediger in der Wüste zu sein. Hast du dir den Rat überlegt, den ich dir vorhin gegeben habe?“
„Ich
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