61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
habe bereits nach dem Gendarm geschickt.“
„So will ich mich zurückziehen. Ich brauche bei dieser Konferenz nicht zugegen zu sein.“
Er ging und kurze Zeit später kam wirklich der Gendarm. Der Markthelfer hatte ihn zu Hause getroffen, seinen Auftrag ausgerichtet und war dann nach der benachbarten Amtsstadt aufgebrochen. Dort hatte er den Brief an den Adressaten gegeben.
Dieser, der Kaufmann Strauch, war ein noch junger Mann, ungefähr in Fritz Seidelmanns Alter. Er hatte die Zeilen gelesen und dann zu dem Boten gesagt:
„Es ist keine schriftliche Antwort nötig. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich gern bereit bin, ihm den Gefallen zu tun.“
Darauf kehrte der Markthelfer zurück. Der Schnee war tief, aber auf der Straße konnte man doch fortkommen. Die hier verkehrenden Schlitten hatten Bahn gebrochen.
Er mochte die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als er einen Mann bemerkte, der ihm entgegenkam. Als dieser sich mehr genähert hatte, erkannte er Eduard Hauser in ihm. Der letztere ging langsam und mit gesenktem Kopf, als ob er sich in tiefen Gedanken befinde.
Beide blieben, als sie zusammentrafen, voreinander stehen.
„Du, Eduard?“ fragte der Markthelfer. „Wohin willst du?“
„Da vorwärts!“
„Am Sonntag? Doch also nicht in Geschäften?“
„Vielleicht doch! Ich will nämlich sehen, ob ich da nicht irgendeine Arbeit erhalten kann.“
„Ja, der Herr hat dich abgelohnt.“
„Und auf dem Schacht bin ich nicht angenommen worden.“
„Ich weiß es.“
„Du? Woher?“
„Nun, ich darf eigentlich nicht aus der Schule schwatzen, denn des' Brot ich esse, des' Lied ich singe, wie das Sprichwort sagt; aber Fritz Seidelmann hat dem Obersteiger bedeutet, dir ja keine Arbeit zu geben, falls du nachfragen solltest.“
„Ist das wahr?“
„Ich weiß es genau.“
„Du selbst bist wohl zum Obersteiger geschickt worden?“
„Laß das gut sein. Ich habe dir bereits mehr gesagt, als was ich sagen darf, aber ich hoffe, daß du mich nicht etwa verraten wirst.“
„Fällt mir nicht ein! Höre, du bist öfter als ich hier in der Stadt. Weißt du nicht einen Ort, wo ich Beschäftigung finden könnte?“
„Nein. Es fällt in der jetzigen Zeit außerordentlich schwer, irgendwo anzukommen. Glück auf!“
Er gab ihm die Hand und setzte seinen Weg fort. Eduard verfolgte den seinigen. Als er von dem Obersteiger abgewiesen worden war, hatte er nicht nach Hause gehen wollen. Die Seinigen hörten die traurige Nachricht ja zeitig genug. Er war in das Freie gegangen, um sich die Stirn im Wind zu kühlen, und da war ihm der Gedanke gekommen, einmal zu sehen, ob er in der Amtsstadt Beschäftigung finden könne. Der Markthelfer hatte ihm freilich schlechten Trost gegeben. Jetzt schritt er sinnend und grübelnd weiter.
„Es möchte noch sein!“ sagte er vor sich hin. „Aber die Angelika, das Engelchen! Die macht mir bittre Sorge! Für mich wird der Herrgott sorgen! Finde ich keine Arbeit, so gehe ich weiter! Aber wie ist die Angelika zu retten? Wer ist es, der ihr den Anzug geschickt hat? Wenn ich das doch erfahren könnte!“
Er stieß einen tiefen Seufzer aus, hob den gesenkten Kopf und blickte um sich, als ob er eine Person suche, welche imstande sei, seine Frage zu beantworten.
„Himmel, wenn ich dabeisein könnte!“ fuhr er fort. „Ich würde sie beschützen! Dabeisein? Ist das nicht möglich?“
Er schritt sinnend weiter. Da plötzlich blieb er stehen und rief so laut, daß man es weit hören konnte:
„Ich hab's! Ich hab's!“
Er hielt erschrocken inne, schritt weiter und sagte leise:
„Dummhut, der ich bin! Ich schreie ja, daß es alle Welt hören könnte! Wie gut, daß niemand in der Nähe war! Was ich vorhabe, das darf kein Mensch wissen! Geld wird's kosten, aber wir haben uns heute morgen ein Goldstück gewechselt, und hier in der Tasche stecken drei Gulden davon. Ob aber das andere gelingen wird? Vielleicht! Die ganze Gegend fürchtet sich vor dem Waldkönig wie vor dem Teufel, und der Strauch ist auch kein Held; ich weiß das genau! Er ist der einzige, von dem ich zufälligerweise erfahren habe, daß er im Kasino ist.“
Er begann jetzt schneller zu laufen als bisher. Als er die Stadt erreichte, bog er in eine der Gassen ein und blieb vor einer Türe stehen, über welcher auf einer Firma zu lesen war, daß der Besitzer sich mit dem Ein- und Verkauf alles möglichen befasse. Neben der Tür stand auf einem Blechschilde: ‚Maskengarderobe wird hier zu vorübergehendem Gebrauch
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