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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verstand sie sogleich. Er gab sich Mühe, eine möglichst sorglose Miene zu zeigen, und antwortete:
    „Mach dir keine Sorge! Auch das wird sich zum besten wenden.“
    „Gott sei Dank! Mir war sehr bange. Aber das Reden strengt an. Ich werde schlafen, schlafen, schlafen!“
    Sie schloß die Augen. Sie lag da, als ob sie bereits gestorben sei. Vater und Tochter blickten einander an; dann verbarg die letztere das Gesicht in den Händen. Sie hatte es ihm angesehen, daß es anders stand, als er gesagt hatte. Nach einer Weile fragte er flüsternd:
    „Gustel, was essen wir heute?“
    „Sauerkraut“, klang es leise und zögernd zwischen ihren Lippen hervor.
    „Wieder!“
    Bei diesem Wort senkte er den Kopf und legte, geradeso wie sie, das Gesicht in die Hände. Für fünfzehn Kreuzer Sauerkraut, Sauerkohl, hatte er am Montag gekauft. Das war nebst trockenem Brot während der ganzen Woche ihre einzige Nahrung gewesen.
    „Mache es warm!“ sagte er nach einer Weile.
    Die Tochter gehorchte. Sie erhob sich und trat zum Ofen, um mit den wenigen Holzabfällen, welche der Wirt ihr heute geschenkt hatte, Feuer zu machen und das scharf und widrig gewordene Essen zu wärmen. Sie war noch damit beschäftigt, als schwere, polternde Schritte die Treppe heraufkamen. Die Tür wurde geöffnet, und der Gendarm trat ein.
    „Guten Tag!“ grüßte er. „Schön, daß Sie zu Hause sind. Ich habe mit Ihnen zu sprechen.“
    Der Schreiber war bei dem Anblick des Beamten erschrocken emporgefahren. Selbst derjenige, welcher das beste Gewissen hat, fühlt eine gewisse Beklemmung, wenn er die Polizei bei sich zu empfangen hat.
    „Was wünschen Sie?“ fragte er.
    „Ihre Frau ist krank. Haben Sie keinen anderen Raum, wo wir miteinander sprechen können?“
    „Droben die Kammer unter dem Dache, aber da ist's bitterkalt!“
    Die Kranke hatte den Gendarmen kommen gehört; auch seine Fragen hatte sie vernommen. Sie wendete ihm das Gesicht zu und fragte:
    „Was wollen Sie? Weshalb wollen Sie mit ihm reden?“
    Der Mann warf einen mitleidigen Blick auf sie und antwortete: „Es ist weiter nichts, liebe Frau! Es handelt sich nur um eine Erkundigung.“
    „Warum soll ich nichts davon hören? Wenn es eine gerechte Sache ist, so braucht man es mir nicht zu verschweigen.“
    „Ja, sagen Sie hier, was Sie zu sagen haben!“ bat der Schreiber. „Sie macht sich sonst unnötige Sorgen.“
    Der Gendarm winkte ihm ab; aber des Schreibers Frau merkte das und sagte:
    „Winken Sie nicht! Ich will wissen, um was es sich handelt. Ich muß es wissen!“
    Da sah sich der Gendarm zum Sprechen gezwungen. Er hätte gern einen Auftritt vermieden, welcher für die Patientin gefährlich werden konnte. Er versuchte darum auch jetzt noch, den mildesten Weg einzuschlagen, und fragte also:
    „Sind Sie im Besitz von Kleinodien?“
    „Kleinodien?“ fragte der Schreiber erstaunt. „Sehen Sie sich um! Mein einziges Kleinod ist mein gutes Gewissen.“
    „Sie haben keine kostbaren Uhren, Ringe, Ketten und dergleichen?“
    „Gott, woher sollte ich solche Kostbarkeiten nehmen?“
    „Und dennoch spricht man davon, daß solche Dinge bei Ihnen zu finden seien!“
    „Herr, das könnte ich nicht begreifen. Meinen Sie etwa, daß ich Goldgeschmeide über die Grenze pasche? Ah, Herr Gendarm, hat man mich vielleicht als Schmuggler verdächtigt?“
    „Ich habe darauf nicht zu antworten und will jetzt allen Ernstes meine Frage wiederholen.“
    Da versuchte die Kranke, sich emporzurichten. Sie schüttelte unter einem traurigen Lächeln den Kopf und sagte:
    „Herr, ich weiß, was Sie wollen! Man hat meinen Mann verdächtigt, und Sie sind gekommen, bei uns auszusuchen. Tun Sie das! Wir können ruhig sein!“
    „Ja, tun Sie es“, sagte auch der Schreiber. „Man hat ja seine Feinde. Oder es hat sich jemand einen albernen Scherz erlaubt.“
    „Ich hoffe, daß es so ist“, meinte der Beamte. „Ich will nicht noch andere hinzuziehen, da Sie mir erlauben, mich bei Ihnen umzusehen. Beginnen wir also!“
    Er durchsuchte die vorhandenen Kästen und sonstigen Behältnisse resultatlos und ließ sich dann die Kammer zeigen. Vater und Tochter mußten ihm dorthin folgen. Auch hier wurde nichts gefunden. Nur eine kleine Truhe hatte er noch zu öffnen.
    „Sie haben wirklich keinen der angegebenen Gegenstände in Ihrem Besitz?“ fragte er nochmals.
    „Nein.“
    „Auch Sie nicht, Fräulein?“
    „Nein“, antwortete sie.
    „Gehört diese Truhe vielleicht Ihnen?“
    „Ja; sie enthält

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