61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
ihn.
Er erschrak und trat einen Schritt zurück. Die Gestalt war mit einer schwarzen Maske versehen und sah ganz genauso aus, wie man den Pascherkönig zu beschreiben pflegte.
„Was machst du hier?“ fragte der Verhüllte, welcher allerdings jetzt sein Bettuch abgeworfen und hinter sich liegen gelassen hatte.
Seine Stimme klang dumpf und tief unter der Larve hervor. Selbst ein Bekannter hätte ihn an derselben nicht zu erkennen vermocht. Eduard antwortete furchtlos:
„Nichts. Ich gehe nach Hause.“
„Wo warst du?“
„Beim Förster.“
„Was hast du denn da zu tun?“
„Was geht denn dich das an?“
„Oho, sehr viel! Kennst du mich?“
„Nein.“
„Ich bin der Waldkönig und muß wissen, was in meinem Revier geschieht. Was? Du erschrickst nicht vor mir?“
„Nein. Ich habe ein gutes Gewissen.“
„Wer bist du?“
„Auch das geht dich nichts an!“
„Bursche, rede manierlicher, sonst sollst du bald begreifen, wie man mit mir umzugehen hat! Ich kenne dich. Du bist der Hauser Eduard. Du arbeitest für den Seidelmann?“
„Jetzt nicht mehr.“
„Ah! Hat er dich abgelohnt?“
„Ja.“
„Das ist recht! Ich habe längst ein Auge auf dich gehabt. Du mußt in meine Dienste treten.“
„Ich muß? Wer sagt das?“
„Ich!“
„So sage ich dir, daß du mir nichts zu befehlen hast. Von einem Müssen ist hier gar keine Rede!“
„Nur nicht so hitzig, mein Junge! Hast du vielleicht einmal gehört, wie wenig ich mir aus einem Menschenleben mache?“
„Ja; du bist ein gottvergessener Bösewicht!“
„Halunke! Wenn ich dir nun für diese Beleidigung eine Kugel durch den Kopf jage!“
„So ist's aus mit mir, weiter nichts! Was mache ich mir daraus! Übrigens scheinst du gar nicht daran zu denken, daß man sich seiner Haut wehren kann!“
„Gegenwehr würde deine Lage nur verschlimmern. Hier rechts und links stehen meine Leute, die ihre Gewehre auf dich gerichtet haben. Also, willst du in meine Dienste treten?“
„Nein!“
„Warum nicht?“
„Weil ich ein ehrlicher Kerl bin, aber kein Spitzbube!“
„Ein dummer Mensch bist du, aber kein gescheiter Kerl! Hältst du denn den Schmuggel für ein Verbrechen?“
„Ja.“
„Haha! Warum denn?“
„Weil er vom Gesetz verboten ist.“
„Einfaltspinsel! Warum haben sie diese Gesetze gemacht, um unser gutes Geld in ihre Taschen zu stecken. Ist es etwa recht, daß das Fleisch, das Leder und andere Dinge hier an einem Punkt doppelt so teuer sind, als eine Viertelstunde davon? Das ist nicht Natur, das will Gott nicht, sondern die Menschen haben es gemacht.“
„So haben sie ein Recht dazu. Der König versteht mehr davon als du und ich. Er wird schon wissen, was er tut.“
„Nichts weiß er, gar nichts. Nur ärgern will er uns!“
„Laß dich nicht auslachen! Dem König wird viel daran gelegen sein, ob du dich ärgerst oder nicht! Er will haben, daß wir uns alles, was wir machen können, selbst machen, und nicht das Geld dafür aus dem Land hinaustragen.“
„Schau, schau, was du für ein gescheiter Kerl bist! Na, das ist mir lieb, denn solche Leute brauche ich! Ich werde dich in meine Dienste nehmen!“
„Das magst du nur bleiben lassen! Mich bekommst du nicht!“
„Oh, ich werde dich zwingen!“
„Versuch's!“
„Ich habe schon manchen anderen Widerspenstigen gezwungen, und dann ist er ein ganz tüchtiger Kerl geworden.“
„Ein Spitzbube ist er geworden! Laß mich! Ich muß nach Hause gehen!“
„Warte noch ein Weilchen! Erst müssen wir fertig sein. Du weißt, daß ich Herr über Leben und Tod bin?“
„Dieses Recht hat dir keiner gegeben!“
„So habe ich es mir genommen und werde es ausüben, solange es mir gefällt. Ich gebe dir drei Tage Bedenkzeit. Sagst du bis dahin nicht ja, so lasse ich dich erschießen!“
„Das erschreckt mich nicht. Schieße lieber gleich zu!“
„Gut, so lasse ich deine Eltern und Geschwister sterben!“
„So bist du der Mörder und nicht ich bin es!“
„Oder ich erschieße dir die Liebste!“
„Ich habe keine!“
„Oho! Hofmanns Angelika!“
„Die geht mich nichts an!“
Da legte der Waldkönig seine Hand auf die Schulter Eduards und fuhr fort:
„Mensch, bist du denn nicht gescheit? Hast du noch nicht gehört, wieviel bei der Pascherei verdient wird?“
„Ich weiß es nicht.“
„Nun, du bist kein unebener Kerl, und ich will dir sagen, daß so einer, wie du, sich jährlich wohl an die dreitausend Gulden verdienen kann!“
„Das ist Lüge!“
„Nein;
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