61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
stimmt’s? Dazu gibt’s keinen Anlass. Der Kerl könnte auch ohne Sirene kommen, aber selbst dann sind genügend Bewacher da. Vier im Haus, drei auf der Straße. Lauter gute Leute. Darauf habe ich geachtet. Also spielt’s im Augenblick eigentlich keine Rolle, ob Sie dort sind, oder? Sie sind überflüssig. Zumindest vorläufig. Deshalb ist’s ungefährlich, wenn Sie das Haus verlassen. Finden Sie das auch?«
»Ungefährlich«, sagte Reacher.
»Ich hole Sie in zehn Minuten ab.«
Reacher ging in den Salon zurück. Janet Salter sah zu ihm auf. Er erklärte ihr, er fahre weg – und wohin und weshalb. Er fragte: »Was tun Sie, falls die Cops fortmüssen?«
Sie sagte: »Ich sperre mich im Keller ein.«
»Mit?«
»Meinem Revolver.«
»Wann?«
»Sofort, nehme ich an.«
»Korrekt«, sagte Reacher. »Sofort, auf der Stelle, augenblicklich, ohne Verzögerung, noch bevor die Cops das Haus verlassen haben. Sie sperren sich ein und bleiben im Keller, bis ich zurückkomme.«
»Mit dem Kennwort.«
»Korrekt«, wiederholte Reacher. »Und selbst wenn die Cops bleiben, gehen Sie dort runter, wenn Sie irgendeine Art Aufregung spüren. Jede Art Unsicherheit, jede Art zusätzlicher Nervosität, jede Art erhöhter Wachsamkeit, okay?«
»Glauben Sie, der Mann könnte kommen, obwohl die Polizei noch im Haus ist?«
»Hoffe aufs Beste, plane fürs Schlimmste. Haben die Cops ein schlechtes Gefühl, sagen sie’s Ihnen nicht gleich. Sie wollen nicht als dumm dastehen, wenn’s dann doch nichts war. Also müssen Sie selbst draufkommen. Verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl. Im Zweifelsfall verschwinden Sie schnell wie der Teufel nach unten. Eine verirrte Kugel kann genauso tödlich sein wie ein gezielter Schuss.«
»Wie lange bleiben Sie fort?«
»Ungefähr zwei Stunden.«
»Mir passiert nichts.«
»Nicht wenn Sie tun, was ich sage.«
»Das tue ich. Versprochen. Ich gehe hinunter und sperre die Tür ab und warte auf das Kennwort.«
Reacher nickte. Sagte nichts.
Ungefährlich.
Reacher ging in die Eingangshalle hinaus und schlüpfte in seinen riesigen Parka. Kontrollierte die Taschen auf Wollmütze, Handschuhe und Revolver. Alles da. Das Telefon klingelte. Die Polizeibeamtin meldete sich. Sie hielt Reacher wortlos den Hörer hin.
»Ja?«, sagte er, weil er glaubte, Peterson rufe an.
Die Stimme aus Virginia sagte: »Wir haben eine teilweise Frachtliste.«
»Und?«
»Und ich werde den Rest meines Lebens damit zu tun haben, mich für diesen Gefallen zu revanchieren. Können Sie sich vorstellen, wie schwer es zu finden war? Ein belangloses Stück Papier aus der Zeit vor fünfzig Jahren?«
»Dort gibt’s Angestellte, genau wie wir sie hatten. Was haben sie sonst zu tun?«
»Angeblich jede Menge.«
»Glauben Sie ihnen nicht. Was steht auf der Liste?«
»Vierzig Tonnen überschüssiges Kriegsmaterial von ehemaligen Stützpunkten der Eighth Air Force in England. Von den alten Bomberflugplätzen aus dem Zweiten Weltkrieg in East Anglia. Mitte der fünfziger Jahre sind etliche von ihnen geschlossen worden. Die Startbahnen waren nicht mehr lang genug.«
»Ist angegeben, was für Material das war?«
»Ja und nein. Generell wird es als Fliegerbedarf bezeichnet, und speziell gibt es einen Herstellernamen, an den sich keiner erinnert, und eine Versorgungsnummer, die keiner mehr versteht.«
»Nicht mal die Leute in Lackland?«
»Nicht mal die. Wir haben’s hier mit alter Geschichte zu tun.«
»Nach meiner Kenntnis der alten Geschichte haben wir kein überschüssiges Material aus dem Zweiten Weltkrieg aus Europa zurückgeholt. Wir haben es dort verschrottet oder verkauft. Haben das Geld in Landeswährungen behalten und für Fulbright- Stipendien verwendet. Wir sind einen Haufen Schrott losge worden und haben zugleich Frieden und Zusammenhalt und Völkerverständigung gefördert. Durch Bildungsaustausch.«
»Das waren noch Zeiten.«
»Wie lautet die Versorgungsnummer?«
»N06 BA 03.«
»Sagt mir nichts.«
»Die sagt niemandem etwas. Könnte Unterwäsche sein. Oder Fliegerhauben.«
»Vierzig Tonnen Unterwäsche oder Fliegerhauben hätten wir niemals aus Europa zurückgeholt. Das wäre unsinnig gewesen. Verschenken oder verbrennen wäre billiger gewesen.«
»Dann war’s vielleicht etwas, das wir nicht verschenken konnten. Oder verkaufen. Oder verbrennen. Aus Sicherheitsgründen. Vielleicht Handfeuerwaffen. Soviel ich weiß, waren die Bomberbesatzungen bewaffnet. Für den Fall, dass sie über feindlichem Gebiet abgeschossen
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