Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
Richtung Haus weiter. Auf beiden Seiten der Einfahrt bildete der geräumte Schnee anderthalb Meter hohe Wälle. Der Weg vor ihm gabelte sich Y-förmig: rechts zur Scheune, links zum Haus. Der Wind blies kräftig. Das Land war flach und offen. Reacher hatte es noch nie so gefroren. Das wusste er bestimmt. Wieder mal ein Superlativ. In Saudi-Arabien hatte er zu Beginn von Desert Shield einmal eine Mittagstemperatur von sechzig Grad im Schatten erlebt. Hier in South Dakota litt er unter minus vierunddreißig Grad, die bei diesem Wind gefühlte minus fünfundvierzig waren. Keine dieser Temperaturen war angenehm gewesen, aber er wusste, welche er bevorzugt hätte.
    Er erreichte die Y-förmige Weggabelung und wandte sich nach links. Der Weg war geräumt und gestreut – vielleicht Andrew Petersons letzte Arbeit hier.
    Das Haus ragte vor ihm auf. Rote Bretter, rote Haustür, die im bläulichen Licht des Mondes braun wirkten. Sanftes gelbliches Licht hinter Fensterglas. Schwacher Geruch nach Holzrauch aus dem Kamin. Reacher ging weiter. Es war so kalt, dass er das Gefühl hatte, das Gehen verlernt zu haben. Er musste sich darauf konzentrieren. Linker Fuß, rechter Fuß, ein Schritt, noch einer, bewusst und überlegt. Als erlernte er eine völlig neue Fertigkeit.
    Reacher schaffte es bis zur Haustür. Er blieb kurz stehen, hustete eiskalte Luft aus, hob eine Hand und klopfte. Sein dicker Handschuh und seine vor Kälte zitternde Hand verwandelten das knappe zweimalige Klopfen in ein unheimlich dumpfes Pochen. Das schlimmste Geräusch der Welt. Nach Mitternacht ein Klopfen an der Haustür eines Cops. Das konnte unmöglich etwas Gutes bedeuten. Das würde Kim in Bruchteilen einer Sekunde begreifen. Die Frage war nur, wie lange und wie energisch sie sich dagegen wehren würde. Reacher wusste, wie so etwas ablief. Er hatte schon an viele Türen nach Mitternacht geklopft.
    Sie machte auf. Ein Blick genügte, um den letzten Funken Hoffnung in ihren Augen erlöschen zu lassen. Auf der Schwelle stand nicht ihr Mann. Er hatte seine Schlüssel nicht in den Schnee fallen lassen, hatte sich nicht auf unerklärliche Weise betrunken und konnte das Schlüsselloch nicht finden.
    Sie brach zusammen, als hätte sich eine Falltür unter ihr geöffnet.
    Caleb Carter nahm eine schwarze Maglite mit vier Batterien aus dem Regal an der Tür und kontrollierte sein Funkgerät. Es war eingeschaltet und funktionierte. Die Maglite leuchtete hell. Ihre Batterien waren in Ordnung. Neben der Tür befand sich ein Schreibbrett, an dem mit einem Stück Bindfaden ein Kugelschreiber befestigt war. Caleb zeichnete den fünften Kontrollgang im Voraus ab. Die ersten vier hatten nie stattgefunden. Keiner der anderen sah auf. Er verließ den Bereitschaftsraum und marschierte den Korridor entlang.
    Organisatorisch war das Bezirksgefängnis völlig von dem Staatsgefängnis getrennt, das wiederum völlig von dem Bundesgefängnis separiert war. Aber die drei Einrichtungen bildeten einen gemeinsamen Komplex und waren nach dem gleichen Grundriss angelegt. Das brachte bei Bau und Betrieb Einsparungen. Im Bezirksgefängnis saßen vor allem Einheimische ein, für die keine Freilassung auf Kaution infrage kam oder die keine Kaution stellen konnten. Untersuchungshäftlinge. Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. Einige von ihnen kannte Caleb aus der Highschool. Etwa ein Viertel der Insassen verbüßte hier nach ihrer Verurteilung eine Haftstrafe, das heißt, sie blieben zunächst im Bezirksgefängnis, bis sie in andere Gefängnisse verlegt werden konnten.
    Ein trauriger Haufen.
    Insgesamt gab es hier sechzig Zellen, die auf zwei Ebenen V-förmig angeordnet waren. Ostflügel unten, Ostflügel oben, West flügel unten, Westflügel oben – jeweils fünfzehn Zellen. An der Spitze des V lag eine Stahltreppe, an die ein einstöckiger Bau mit Kantine und Freizeiträumen anschloss, sodass das Erdgeschoss in Wirklichkeit Y-förmig war.
    Alle sechzig Zellen waren belegt, wie immer. Das Geld kam von außerhalb, sodass man fast annehmen konnte, den Politikern in Pierre oder Washington oder sonst wo ginge es darum, ihre Investition bestmöglich zu nutzen. In Bolton war allgemein bekannt, dass die Polizei härter durchgriff, wenn Gefängnisbetten frei waren. Und umgekehrt. Gab es ein leeres Bett, wurde man wegen zehn Gramm Gras im Auto eingelocht. Waren alle sechzig Betten besetzt, brachte einem die doppelte Menge Gras nur eine Kopfnuss ein.
    Strafvollzug. Calebs freiwillig gewählter

Weitere Kostenlose Bücher