61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
entgegenzurasen. Der Motor röhrte.
Nach zehn der dreißig Meter hielt Reacher einen Smith & Wesson in der Hand. Nach zwanzig Metern rammte er Holland die Revolvermündung ins Ohr. Noch vor dem Aufprall lag sein linker Arm mit angespannten Muskeln über Hollands Sitzlehne. Die Motorhaube des Crown Vic ließ die Holzbeplankung der Hütte zersplittern. Die Airbags explodierten. Die Frontscheibe zersplitterte. Die Vorderräder wurden durch den Hüttenboden angehoben, und der ganze Wagen begann zu fliegen. Die vordere Stoßstange rammte ein Bettgestell und schob es vor sich her gegen den Parafinofen. Als der Ofen aus seiner Verankerung gerissen wurde und wie ein Fass wegrollte, knallte der Wagen wieder auf die Räder, pflügte weiter, rammte nochmals das Feldbett und schmetterte es gegen ein weiteres. Der obere Fensterrahmen der Frontscheibe prallte gegen das von der Decke herabhängende Ofenrohr, das sich kreischend verbog und mit seiner abgerissenen Kante laut übers Autodach schrammte. Und dann war der Wagen ganz in der Hütte, noch immer schnell unterwegs, während die Schneeketten an den Hinterrädern laut klirrend und schlagend den Fußboden aufrissen. Reacher trat Holland ans Knie und brachte ihn dazu, den Fuß vom Gas zu nehmen. Der Wagen schob eine Doppelreihe Betten vor sich her an die Rückwand der Hütte, durchbrach sie, schlug im Mondschein schwer auf und kam in einem Gewirr aus verbogenen Bettgestellen und Sperrholzplatten zum Stehen – mit dem Heck noch in der Hütte, vorn tief eingeknickt. Beide Scheinwerfer brannten nicht mehr, und unter der Motorhaube waren alle möglichen scharrenden und klappernden Geräusche zu hören. Überall gab es Staub und Holzsplitter, und die eisige Luft strömte durch die zersplitterte Frontscheibe herein.
Die Revolvermündung blieb in Hollands Ohr gerammt.
Reacher saß immer noch aufrecht da, stützte sich weiter mühelos von Hollands Sitzlehne ab. Der rechte Airbag hatte seine angespannte Schulter getroffen und war dann in sich zusammengesunken.
Er erklärte: »Ich hab’s Ihnen gesagt, Holland, Sie können nicht mithalten.«
Holland gab keine Antwort.
Reacher sagte: »Sie haben den Wagen demoliert. Wie soll ich jetzt in die Stadt zurückkommen?«
Holland fragte: »Was haben Sie mit mir vor?«
Reacher antwortete: »Kommen Sie, wir machen einen Spaziergang. Lassen Sie Ihre Hände dort, wo ich sie sehen kann.«
Zum Lesen habe ich reichlich Zeit, hatte Janet Salter gesagt, wenn dieser Rummel vorbei ist.
Du sollst ernten, was du gesät hast.
Sie stiegen aus dem beschädigten Wagen aus und betraten den schmalen Weg, der zwischen den beiden Hüttenreihen hindurchführte. Holland ging voraus, Reacher folgte ihm mit drei Metern Abstand. Den alten Sechsschüsser Kaliber .38 hielt er lässig in der herabhängenden rechten Hand. Dies war die Waffe, die Janet Salter so viele Stunden lang bei sich getragen hatte.
Reacher sagte: »Erzählen Sie mir von Plato.«
Holland blieb stehen, drehte sich um und erwiderte: »Ich hatte nie persönlich mit ihm zu tun. Alles ist übers Telefon oder die Biker gelaufen.«
»Ist er so schlimm, wie man sagt?«
»Schlimmer.«
»Was soll heute Nacht passieren?«
»Was Sie vermutet haben. Er will seine Juwelen in Sicherheit bringen und einen Teil des Meth zurückklauen.«
»Und Sie sollten ihm dabei helfen?«
»Ich sollte hier sein, ja. Ich habe ein paar Ausrüstungsgegenstände für ihn und den Schlüssel zur Tür.«
»Okay«, sagte Reacher. Dann hob er den Smith & Wesson, betätigte den Abzug und traf Holland mitten in die Stirn. Der Rückstoß war nicht besonders stark und der Schussknall genau der einer Patrone Kaliber .38 mit zehn Gramm Treibladung in trockener, kalter Luft: ein kurzer scharfer Knall, der rasch verhallte, weil es nirgends etwas gab, das ihn hätte zurückwerfen können. Holland brach mit dem lauten Rascheln von schwerem Nylon zusammen, und der steife Parka bewirkte, dass er halb zur Seite gedreht wurde und auf einer Schulter ruhend dem Mond zugekehrt liegen blieb. Rechnerisch waren achtunddreißig Hundertstel Zoll etwas mehr als neun Millimeter, daher sah das dritte Auge in Hollands Stirn etwas größer aus, als es bei Janet Salter gewesen war. Aber da auch sein Gesicht etwas größer war, blieb die Gesamtwirkung proportional gleich.
Chief Thomas Holland, RIP .
Sein Körper sackte zusammen, aus seiner Wunde quoll Blut, und das Handy in seiner Tasche begann zu klingeln.
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Reacher zog das Mobiltelefon beim
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