61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
klapperten laut. Reacher riss die Fahrertür auf, ließ sich auf Hollands Sitz fallen und stellte den Wählhebel auf R. Als er kräftig Gas gab, setzte der Wagen sich zitternd und stotternd in Bewegung und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. Durch das Loch in der Holzwand, quer durch den Raum, auf der anderen Seite wieder hinaus. Er kam mit dem Heck voraus auf. Reacher drehte das Lenkrad, stellte den Hebel auf D und hielt auf die Nordostecke der Landebahn zu. Aus der Sicht des Piloten auf die obere rechte Ecke. Er bremste scharf, sprang aus dem Wagen, riss wieder den Kofferraum auf und schnappte sich die vier roten Fackeln aus einer der Plastikboxen. Drei warf er auf den Beifahrersitz, die Spitze der vierten rammte er in den Beton. Die Fackel entzündete sich automatisch und bildete einen hellroten Feuerball. Auf der Straße aus weiter Entfernung sichtbar, aus der Luft vermutlich noch viel besser.
Er stieg wieder ein und fuhr zur entgegengesetzten, zur oberen linken Ecke. Er musste ohne Licht fahren, aber der Mond schien hell genug, um die hundert Meter zu bewältigen. Er entzündete die zweite Fackel. Dann nahm er die etwa drei Kilometer in Angriff. Die Fahrt war kein Spaß. Die Frontscheibe fehlte, und der Wind blies beißend kalt. Außerdem war der Wagen langsamer und wurde ständig langsamer. Wahrscheinlich würde er bald stehen bleiben. Der Geruch von verbranntem Öl wurde stärker. Der Motor klopfte und vibrierte. Die Nadel des Kühlwasserthermometers näherte sich dem roten Bereich.
Nicht gut.
Neun Minuten und ein paar Zerquetschte.
Zwei Meilen hätten zwei Minuten dauern dürfen, aber der demolierte Crown Vic brauchte über vier. Reacher entzündete die dritte Fackel in der Südwestecke des Platzes. Aus der Sicht des Piloten war das die untere linke Ecke. Er stieg wieder ein, stieß zurück, wendete und hielt auf die andere Ecke zu. Der Wagen begann unkontrollierbar zu zittern. Die Motorleistung ließ dramatisch nach. Die Nadel des Kühlwasserthermometers stand am Anschlag. Unter der Motorhaube quollen Dampf und Rauch in dicken Wolken hervor.
Noch hundert Meter. Das war alles. Noch eine Flugplatzecke.
Der Wagen schaffte gerade mal fünfzig Meter, dann war Schluss. Er blieb einfach knirschend stehen, war nicht zum Weiterfahren zu bewegen, befand sich genau mittig am Südende der Landebahn. Das Getriebe hatte den Geist aufgegeben, der Öldruck oder das Kühlwasser war weg oder beides.
Reacher sprang aus dem Wagen und rannte die restlichen Meter.
Er entzündete die letzte Fackel und trat ein paar Schritte zurück.
Der grellrote Lichtschein an den vier Ecken des Platzes war weit heller als das Mondlicht. Und er wurde von den aerodynamisch geformten Schneewällen zurückgeworfen und so noch verstärkt. Aus dem Cockpit der Boeing musste diese Beleuchtung ausreichend erscheinen. Lage, Breite und Länge der Landebahn waren eindeutig definiert. Der unbeleuchtete Crown Vic stand genau in der Verlängerung der Anfluggrundlinie, aber als Hindernis war er nicht bedeutender als ein Flughafenzaun.
Zwei Minuten und ein paar Zerquetschte.
Knapp geschafft.
Nur stand Reacher jetzt zwei Meilen von der Stelle entfernt, an der er sein musste, und die Nacht war für einen kleinen Marsch verdammt kalt. Aber er war sich ziemlich sicher, dass er nicht würde marschieren müssen, dass er schon bald eine Mitfahrgelegenheit finden würde, wenn er wollte. Vielleicht sogar, bevor er erfror. Was gut war. Nur musste er nach seinem jetzigen Informationsstand annehmen, dass er das Steingebäude kurze Zeit später als Plato erreichen würde. Was nicht gut war. Gar nicht gut. Und nicht mal entfernt das, was er beabsichtigt hatte.
Pläne sind nichtig, sobald der erste Schuss fällt.
Er hastete zu dem Autowrack zurück, lehnte sich an seine Flanke und beobachtete den Himmel im Süden.
Und wartete.
Eine Minute später entdeckte Reacher Lichter am Horizont. Wie Sterne, die keine Sterne waren. Winzige elektrische Lichtpunkte, die am Nachthimmel hingen und funkelten, größer wurden und leicht auf und ab und von einer Seite zur anderen schwankten. Die Landescheinwerfer eines Flugzeugs, das sich im Direktanflug auf den Platz befand und noch zehn bis zwölf Kilometer entfernt war.
Dann sah er auch unterhalb des Horizonts Lichter. Gelblicher, schwächer, erdgebunden, weniger stabil, auf und ab tanzend, viel langsamer näher kommend. Scheinwerfer. Ein Fahrzeug. Sogar zwei, die auf der kurvenreichen Landstraße in Richtung Flugplatz
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