61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
müssen. Ich hätte sie erschießen können.«
»Sorry.« Peterson nahm seine Nase fest zwischen beide Handflächen. Sie musste wehtun. Seine Hauttemperatur war in einer Minute um dreißig Grad gestiegen. Dann fuhr er sich mit den Fingern beider Hände durchs Haar. »Das sollte ich vermutlich nicht sagen, aber ich wünsche mir fast, der Kerl wäre heute Nacht gekommen. Ich weiß nicht, ob wir noch so einen Monat durchhalten können.«
Reacher sagte: »Ich bezweifle, dass Sie das müssen. Ich glaube, dass sie kein Ablenkungsmanöver mehr parat haben.«
»Sie können jederzeit neue Unruhen anzetteln.«
»Nein, das können sie nicht. Das ist der entscheidende Punkt. Häftlingsunruhen brauchen eine kritische Masse. Ungefähr ein Drittel der Insassen würde am liebsten ständig randalieren. Ein weiteres Drittel täte das nie. Entscheidend ist das mittlere Drittel. Die Wechselwähler. Wie bei Wahlen. Und jetzt sind sie erschöpft. Ihre Leidenschaft ist abgekühlt. Es dauert mindestens ein Jahr, bis sie wieder mitmischen wollen.«
Peterson schwieg.
Reacher fuhr fort: »Und Ihr Bikerkumpel kann nicht schnell genug eine Flucht organisieren. Also haben Sie vorerst Ruhe. Ihnen kann nichts passieren.«
»Glauben Sie?«
»Vielleicht hören Sie diese Sirene niemals wieder.«
0.55 Uhr morgens.
Noch siebenundzwanzig Stunden.
Um Viertel nach eins klingelte das Telefon in der Eingangshalle. Janet Salter kam aus der Küche, um den Hörer abzunehmen. Sie gab ihn an Peterson weiter. Er hörte kurz zu, dann ging er in den Salon, um Reacher zu holen.
»Die Frau vom Hundertzehnten will Sie sprechen«, sagte er. »Woher hat sie diese Nummer?«
»Ihr wird der Standort jedes Anrufers angezeigt«, erklärte Reacher. »Mit Koordinaten. Wahrscheinlich beobachtet sie dieses Haus jetzt mit Google Earth.«
»Auch bei Nacht?«
»Fragen Sie mich nicht, wie das funktioniert.« Er ging in die Eingangshalle, setzte sich an das Tischchen, griff nach dem Hörer. Fragte: »Haben Sie die Informationen für mich?«
Die Stimme sagte: »Noch nicht.«
»Warum rufen Sie dann so spät an? Ich hätte fest schlafen können.«
»Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir den Kerl geschnappt haben.«
»Hatte ich recht?«
»Darauf gebe ich keine Antwort. Diese Befriedigung gönne ich Ihnen nicht.«
»Dann hab ich also recht gehabt.«
»Tatsächlich nicht ganz. Er war im dritten Motel nördlich des Busbahnhofs.«
»Weil die beiden ersten dicht nebeneinanderstehen? Er musste ins dritte gehen, um mehr Abstand zu haben?«
»Sie sind gut.«
»Davon hab ich früher gelebt.«
»Ich bin echt beeindruckt.«
»Wie hat er sich verhalten?«
»Das möchte ich von Ihnen hören.«
Reacher sagte: »Er war wach und fast vollständig angezogen. Er hatte eine geladene Pistole und eine gepackte Reisetasche. Sein Jackett hing über der Stuhllehne. Er hat sich weniger als zehn Sekunden lang gewehrt und dann aufgegeben.«
»Sie sind sehr gut.«
»Nicht gut genug, um die Sache mit dem Kopf des Generals zu überleben.«
»Diese Story will ich noch immer hören.«
»Dann beschaffen Sie mir meine Informationen. Ein ehrlicher Tausch ist kein Raub.«
»Wir sind dicht dran. Ich sehe vom Kongress bewilligtes Geld, aber nicht, wie es das Heeresministerium erreicht. Unterwegs verschwindet es irgendwo. Wir grenzen die Möglichkeiten ein. Wir kommen hin.«
»Wann?«
»Geben Sie mir den Rest der Nacht. Rufen Sie mich um acht Uhr morgens an.«
»Sie sind auch gut.«
»Ich gebe mir Mühe.«
Reacher sagte: »Hier in Bolton gibt’s ein Gerücht über einen Skandal. Auf der Straße heißt es, die Anlage sei nie benutzt worden, weil ihr Zweck zu widerwärtig war.«
»Auf der Straße?«
»Na ja, im Salon einer alten Dame.«
»Okay. Aber alte Damen finden alles Mögliche widerwärtig.«
»Das stimmt wohl.«
»Sonst noch was?«
»Mit Ihrem Google-Ding können Sie suchen, stimmt’s?«
»Dafür ist es gedacht.«
»Tun Sie mir einen Gefallen, und überprüfen Sie einen Cop aus Florida namens Kapler. Er ist vor zwei Jahren dort weggegangen. Ich möchte wissen, warum.«
»Weshalb?«
»Es interessiert mich. Er ist von Florida nach South Dakota gezogen. Wer tut das schon?«
»Vorname?«
»Weiß ich nicht.«
»Das hilft mir weiter.«
»Wie viele Cops namens Kapler kann es in Florida geben?«
»Vermutlich mehr als zehn und weniger als hundert.«
»Die vor zwei Jahren dienstlich Schwierigkeiten hatten?«
»Sonst noch was?«
Reacher fragte: »Was haben Sie
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