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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Leo sofort, dass auch Zach und Audrey kein Auge zugetan hatten. Alle drei waren sie bleich und hatten Ringe unter den Augen.
    »Können wir los?«, fragte Audrey.
    »Kleinen Moment«, sagte Zach. »Ich gehe noch mal aufs Klo.«
    Während sie auf Zach warteten, wurde Audrey klar, dass sie bes-ser einen Schal mitnahm. Es würde eine sehr kalte Nacht werden.
    »Bin gleich wieder da«, sagte sie zu Leo.
    Als sie in das Zimmer kam, das sie mit Zach teilte, stand er plötzlich vor ihr.
    »Wolltest du nicht aufs Klo?«
    »War ich schon.«
    Audrey konnte seine Miene nicht deuten, und seine Antwort war sehr knapp, aber sie dachte sich nichts dabei. Wahrscheinlich war er nervös. Sie selbst war es auch.
    Wenige Minuten später gingen sie im Gänsemarsch zur Tür. Je-der trug seinen schwarzen Müllsack über der Schulter, wie drei finstere Knecht Ruprechte. Sie waren nervös, und das Knarren der hölzernen Treppenstufen trug nicht eben dazu bei, sie zu beruhigen.
    »Ich kriege gleich einen Herzinfarkt«, sagte Leo.
    »Sei still, du Idiot!«
    Zachs Auto wartete am Ende der Gasse auf sie. Sie legten eilig die Müllsäcke in den Kofferraum. Dann stiegen sie ein. Jemand stieß einen hörbar erleichterten Seufzer aus, als die Türen sich schlossen.
    »Es geht gerade erst los«, bemerkte Zach voller Verachtung für den Seufzer.
    Auf dem Weg zum Campus redeten sie kein Wort. Sie parkten den Wagen rund zweihundert Meter von der politikwissenschaftlichen Fakultät in der University Road. Audrey stieg aus und fand, es sei gar nicht kalt, sondern geradezu warm. Angst hat nicht nur Nachtei-le.
    »Gehen wir durch den Park«, sagte Zach.
    Damit meinte er eine kleine Grünfläche zwischen der John F. Kennedy Street und dem Memorial Drive, parallel zum Charles River. Die weitverstreuten Straßenlaternen beleuchteten nur die as-phaltierten Gehwege. Der übrige Park lag praktischerweise im Dunkeln. Sie gingen über die Grünflächen und machten so einen beträchtlichen Umweg. Einige Minuten später standen sie vor der Fakultät am Fuß eines Baums. Ein entscheidender Moment war gekommen. Noch hatten sie Zeit, ihr Vorhaben aufzugeben. Audrey und Leo zauderten, aber keiner von ihnen sprach ein Wort. Jetzt oder nie. Wenn jemand sie sah, fände ihr Abenteuer ein abruptes Ende. Nichts auf der Welt konnte verdächtiger sein als drei Personen, die in den frühen Morgenstunden bei eisigem Wetter verstohlen mit drei Müllsä-cken über die Straße huschten. Jetzt oder nie. Die Entscheidung lag einzig bei ihnen. Und sie trafen die falsche Entscheidung.
    »Weiter«, sagte Leo mit einer Bestimmtheit, die er nicht verspürte.
    »Wartet mal«, sagte Zach.
    Aus seiner Jackentasche zog er drei dunkle Stoffstücke. Audrey brauchte einen Augenblick, bis sie erkannte, worum es sich handelte.
    »Strumpfmasken?! Bist du völlig verrückt geworden? Wenn uns jemand damit sieht, glaubt er, wir sind Terroristen.«
    »Wenn uns jemand sieht, sind wir geliefert und müssen rennen, was das Zeug hält. Aber mit den Strumpfmasken kann niemand unsere Gesichter erkennen.«
    Zachs Argument war nur schwer zu widerlegen. Trotzdem fand Audrey, sie sollten die Dinger nicht überziehen. Eine innere Stimme warnte sie, dass Zach noch etwas in der Hinterhand hatte. Und sie war nicht die Einzige, die diesbezüglich ihre Zweifel hatte.
    »Hört mal, Leute«, sagte Leo. »Das gefällt mir gar nicht. Audrey hat recht. Damit sehen wir aus wie Terroristen.«
    »Ja«, erwiderte Zach.
    Seine Antwort war mehr als nur eine simple Bestätigung. In der Dunkelheit dieser kaum von Mondlicht erhellten Nacht konnten sie die Gesichter der anderen kaum erkennen. Deshalb sahen sie nicht, dass Zach lächelte. Sonst hätte Leo vielleicht nicht gesagt: »Oh, na dann. Gib mir das Scheißding, und dann bringen wir’s zu Ende.«
    »So gefällst du mir, Leo. Entschlossenheit!«
    »Leck mich, Zach.«
    Sie gingen zum Rubenstein Building. Nervös gingen sie am Westflügel der politikwissenschaftlichen Fakultät entlang, um über die Eliot Street in den Innenhof zu gelangen. Dort kauerten sie sich neben einige Sträucher, knapp dreißig Meter vom John F. Kennedy Jr. Forum entfernt. Der Rasen war feucht. In der kalten Nacht sahen sie einander an, und in ihren Augen lag ein Lächeln. Bis jetzt hatte sie niemand gesehen. Nicht einmal auf der Eliot Street, wo sie am wenigsten geschützt gewesen waren. Und dieser Ort – eine Art Gar-ten, umgeben von den Fakultätsgebäuden – erschien ihnen vergleichsweise sicher.

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