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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Ermittlungen bedeuten würde, sei es zum Guten oder zum Schlechten. Ein kalter Schauder lief ihm über den Rücken, als er dem Taxi nachsah, bis es um eine Ecke verschwand. Der Himmel hatte sich aufgehellt und war strahlend blau – ein Kontrast zu der Finsternis, die seine Seele einhüllte. Er hatte ein ganz seltsames Gefühl, als ginge etwas zu Ende und etwas Neues be-gänne; als wäre die Welt anders als noch kurz zuvor – einen Tag, eine Stunde, eine Minute zuvor – und doch gleich geblieben. Sein Blick verlor sich am Ende der Straße, die das Taxi genommen hatte. Dort herrschte der übliche bunte Tu-mult aus Autos und Menschen. Doch etwas hatte sich – kaum merklich – geändert. In ihm selbst.
    Der Priester bewegte die Zunge und bemerkte einen me-tallischen Geschmack im Mund. Er hatte vor einem Monat das Rauchen aufgegeben. Genauer gesagt, dies war der drei-ßigste Tag. Er holte eine Schachtel Nikotinkaugummis aus der Innentasche seiner Jacke und steckte sich zwei in den Mund. Sogleich breitete sich deren intensiver, unangenehmer Geschmack in seinem Mund aus.
     
    Die Energiesparlampe summte leise und vibrierte kaum wahrnehmbar. Albert Cloister lag in seinem Zimmer auf dem Bett, versunken in die Lektüre der psychiatrischen Berichte über Daniel. Er wollte zunächst wissen, was in Daniels Kopf vorging, ehe er die Mini-DVD in das tragbare Abspielgerät ein-legte. Besonders das Verschwinden der behandelnden Psychiaterin machte ihn neugierig. Im Verlauf des Exorzismus war irgendetwas geschehen, was Pater Gómez nicht verstanden hatte, für sie aber irgendeinen Sinn ergeben haben muss-te. Der Exorzist hatte verkündet, er wolle nie mehr Exorzismen durchführen, und hatte es nicht einmal gewagt, das Vi-deo anzuschauen. Der Bischof hingegen hatte das getan und dabei einige ungewöhnliche Details entdeckt. Insbesondere der furchterregende Schrei »DIE HÖLLE IST ÜBERALL« hatte ihn veranlasst, sich mit seinem alten Freund Franzik in Rom in Verbindung zu setzen: Dies war ein Fall für das Team des Kardinals.
    Cloister hatte die Lektüre des ersten Hefts beendet, das von Daniels schrecklichen Träumen berichtete. Einige dieser Visionen waren für einen so stark geistig Behinderten wie Daniel Smith höchst ungewöhnlich. Irgendetwas passte da nicht zusammen, sprengte den Rahmen des Erwartbaren. Das hatte auch die Aufmerksamkeit der Psychiaterin erregt. Ihre ersten Erklärungsversuche waren allerdings ziemlich wirr. Offenbar war die Frau nicht darauf vorbereitet gewesen, das Problem des Gärtners in seinem ganzen Ausmaß zu erfassen. Nicht, dass er, Cloister, die Lösung parat gehabt hätte. Er stellte es lediglich fest. Ebenso wie Dr. Barrett fand auch er, dass die Beschreibungen dämonischer Welten viel zu präzise waren. Und manchmal hatte der Gärtner Ausdrücke oder Wörter verwendet, die weit über seinem sprachlichen Niveau lagen. Manchmal schien eine andere Person aus Daniels Mund gesprochen zu haben, wie es auf so dramatische Weise auch während des Exorzismus geschehen war. Die Psychiaterin hatte eine telepathische Verbindung Daniels zu einer oder mehreren anderen Personen in Betracht gezogen. Wie sie sich ganz richtig notiert hatte, hatte auch Albert Einstein an solche Phänomene geglaubt. Cloister musste lächeln. Eine so offene Geisteshaltung hatte er aufgrund seiner eigenen Erfahrungen mit Wissenschaftlern von der Frau gar nicht erwartet. Statis-tisch gesehen bestand die Welt größtenteils aus überzeugt Ungläubigen oder inbrünstig Gläubigen. Die mittlere Position, bei der die weisen alten Griechen die Tugend angesiedelt hatten, war am wenigsten verbreitet.
    Das zweite Heft begann mit einer Weiterentwicklung der Ideen aus dem ersten und enthielt neue Träume von Daniel. Doch dann trat eine Veränderung ein. Die Ärztin schien sich allmählich auf obsessive Weise mit dem Fall zu identifizieren. Cloister kam es vor, als nähme sie aus irgendeinem Grund zunehmend aktiv an Daniels Träumen Anteil. Die Distanz zwischen Patient und Ärztin war immer geringer geworden, wenn nicht gar ganz aufgehoben. Ab einem gewissen Punkt bestanden die Aufzeichnungen nur noch aus einzelnen Sätzen, unzusammenhängenden Ideen. Ihre eigene geistige Gesundheit schien in Gefahr geraten zu sein. Allein die Tatsache, dass die Frau sich für einen Exorzismus ausgesprochen hatte, be-wies doch, dass sie irgendetwas unbedingt hatte erfahren wol-len oder müssen. Und dieses Gefühl kannte Cloister gut.
    An einer Stelle fand er eine

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