Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
in die Küche trat. Einen halben Kopf größer als er, jünger, ziemlich kräftig. Vielleicht lag es an der Nacht, aber Thilo fielen Zombie-Filme ein, als er plötzlich diesen Blick sah.
    »Sie sind es, nicht wahr?«, fragte der Unbekannte.
    »Was?«
    »Sie wollen Bernd Winkler einen Mord anhängen, den er gar nicht begangen hat.«
    »Wer sind Sie?«
    »Sven Arnold. Sein Fahrer.«
    Ein Irrer, dachte Thilo. Du musst jetzt Ruhe bewahren.
    Der Eindringling erklärte: »Ich will, dass Sie sich unverzüglich ansehen, was Sie angerichtet haben. Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit!«
    Jetzt ärgerte sich Thilo, dass er zu denen gehörte, die ihre Waffe im Büro aufbewahrten. Warum hatte er diesem Verrückten nur die Tür aufgemacht? Andere Kollegen vermieden es, in der Stadt zu wohnen, in der sie arbeiteten. Der Zoowärter wohnte ja auch nicht im Zoo – all das schoss Thilo durch den Kopf.
    »Los, Sie müssen Bernd sagen, dass Sie ihn nicht mehr verdächtigen!«
    »Setzen Sie sich erst einmal, Herr Arnold. Möchten Sie einen Tee?«
    Der Kerl nahm seinen Rucksack von der Schulter, zog ein Messer heraus und raunte: »Reden Sie keinen Scheiß. Sie haben meinen Vater auf dem Gewissen!«
    Thilo fiel Annas Warnung ein: Es gibt Anhaltspunkte, dass es der Mörder auf dich abgesehen hat .
    Er versuchte zu beschwichtigen: »Ich mache, was Sie wollen, Herr Arnold, aber lassen Sie mich bitte erst einen Schluck trinken. Ohne Tee komme ich nicht auf die Beine. Herrn Winkler ist es vermutlich auch nicht Recht, wenn wir mitten in der Nacht bei ihm aufkreuzen.«
    Er stellte zwei Tassen auf den Tisch, schenkte ein und wunderte sich selbst über seine Ruhe.
    Arnold fuchtelte mit dem Messer und heulte. »Warum haben Sie das getan? Sie sind schuld an seinem Schlaganfall!«
    Thilo packte die Kanne fester. Im Treppenhaus trappelten Schritte. Hatte der Irre Komplizen?
    Als die Wohnungstür unter Getöse zerbarst, stürzte Arnold auf ihn zu. Thilo versuchte, den Stich abzuwehren, und verbrühte den Angreifer mit heißem Tee.
    Arnold schrie und hieb weiter auf ihn ein. Der Schmerz in Thilos Arm war fürchterlich, die Kanne entglitt ihm und zerschellte auf den Fliesen. Dann drang das Messer in seinen Brustkorb und er brach zusammen.
    Er vernahm noch die Schüsse, die Arnold niederstreckten, und spürte die Last des Kerls, der auf seine Beine fiel. Er sah SEK-Kollegen, die ihre Helme abnahmen und hektisch nach dem Sanitäter riefen. Auch Anna-Luna erkannte er, als sie sich über ihn beugte – wirres Haar, blutverschmiertes Gesicht.
    Noch eine Irre, dachte Thilo und sank frierend ins Dunkle.

69.
    Lichter blinkten. Kurven zuckten auf den Monitoren. Eine Flasche mit Nährlösung leerte sich tropfenweise. Ab und zu lief eine Schwester vorbei. Es war eine andere als gestern Abend. Die Kleine mit dem blonden Pony hatte tagsüber keinen Dienst.
    Der Zustand von Bernd Winkler hatte sich verschlechtert. Ab und zu stolperte der Pulsschlag. Der Schlaganfallpatient litt an Fieber. Nur ein dünnes Laken bedeckte seinen Körper. Anna tupfte Schweiß von der Stirn und benetzte seine Lippen.
    Sie hielt seine Hand und erzählte ihm von früher. Was für ein großartiger Vater er für sie gewesen war, ihre einzige Stütze, nachdem Jo die Familie verlassen hatte. Immer wieder beschwor sie, dass nun alles gut sei und die Polizei nicht mehr gegen ihn ermittle.
    Dass Sven Arnold, sein Angestellter, tot war und dass er Daniel sowie zwei weitere junge Männer ermordet hatte, verschwieg sie, um ihn nicht zu beunruhigen.
    Der Arzt, den sie nicht leiden konnte, trat ins Zimmer und zeigte Anna große Folien – Schichtaufnahmen eines menschlichen Gehirns. Schwarze Flecken nahmen den größten Teil der rechten Hälfte ein.
    Anna ärgerte sich, dass der Mediziner im Beisein des Patienten nicht leiser sprach. Er benutzte hässliche, ungeschminkte Worte, die ihren Vater verletzen mussten.
    Kraftlos fuhr sie am Abend nach Holzbüttgen.
    In der Nacht rief die blonde Schwester an. Bernd Winkler liege im Sterben. Anna raste sofort in die Stadt.
    Stundenlang hielt sie seine Hand und heulte. Er röchelte und hustete, als bekäme er keine Luft. Immer wieder piepste der durchdringende Alarm der Beatmungsmaschine. Die grünen Zacken auf den kleinen Bildschirmen schlugen unregelmäßig aus, der Puls ging verlangsamt. Auch der überhöhte Blutdruck löste schrille Töne aus.
    In dieser Nacht wurde Anna klar, dass ihr Vater vermutlich nicht mehr aufwachen würde. Sein Gehirn war fast zur

Weitere Kostenlose Bücher