Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
Becker. »Wie spät ist es überhaupt?«
    »Der Name des Mörders lautet Sven Arnold. Es gibt Anhaltspunkte, dass er es vielleicht auf dich abgesehen hat.«
    »Auf mich? Spinnst du? Ist das deine Art, dich wegen der Vorermittlungen zu rächen?«
    Anna las Thilos Adresse auf dem Bildschirm: Benrather Straße . Südliche Altstadt, nette Gegend – quer durch das Stadtzentrum würde sie mit dem Auto höchstens fünfzehn Minuten benötigen. »Ich bin gleich bei dir«, antwortete sie.
    »Untersteh dich!«, zeterte der Kollege. »Was auch immer du beabsichtigst, es hat Zeit bis morgen!«
    Sie beendete das Gespräch und wählte Brunos Handynummer.
    Während sie verbunden wurde und dem Freizeichen lauschte, zerriss plötzlich ein ohrenbetäubender Krach die Stille in der Wohnung.
    Ein zweiter Schlag donnerte in die Eingangstür am Ende des Flurs, drückte sie aus den Angeln, ein schwarz Vermummter stürmte herein, verschanzte sich hinter seinem Schild und brüllte: »P OLIZEI, KEINE B EWEGUNG !«
    Weitere behelmte Kerle trampelten mit schweren Stiefeln herein und schrien durcheinander. »H ÄNDE ÜBER DEN K OPF !«
    Anna blickte in die Läufe mehrerer Maschinenpistolen.
    Aus ihrem Mobiltelefon klang Brunos Stimme an ihr Ohr: »Anna, bist du da drin?«
    »Ja«, antwortete sie.
    Dann nahm sie die Hände langsam in die Höhe, um die Kollegen nicht nervös zu machen, die auf sie zielten.

67.
    Plötzlich war er sich unsicher. Im Adressverzeichnis hatte kein kompletter Vorname gestanden. Vielleicht war Th. Becker in der Benrather Straße gar nicht Annas Kollege. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Sven änderte seinen Plan und ließ sich vom Taxi am Ende der Poststraße im Süden der Altstadt absetzen. Noch immer war er wütend, weil Anna ihm die Morde anhängen wollte. Das hatte er nicht erwartet. Von jeder anderen Tussi vielleicht, aber nicht von Anna.
    Der Taxifahrer, ein ungeduldiger Türke, nahm das Trinkgeld ohne Dank entgegen und rauschte ab. Sven schulterte ratlos seinen Rucksack. Rechts ging es in die Benrather Straße. Er wählte die andere Richtung, passierte die Maxkirche und den Brunnen, vor dem ein Penner kampierte, und steuerte das Armageddon an, das um diese Zeit noch aufhatte.
    Sven betrat die Kneipe, inhalierte Rauch und Küchendunst und suchte sich einen Platz am Fenster, von dem aus er die übrigen Gäste im Blick hatte. Mädels und Macker, die Letzteren in der Überzahl.
    Aus den Lautsprechern tönte ein Rocksong, der ihn an die Ballade erinnerte, die er schreiben wollte. Über einen Jungen, der seinen Vater nie richtig kennen gelernt hatte, und über den Vollmond, von dem er sich leiten ließ.
    Als sich die Bedienung vor ihm aufbaute, warf er einen raschen Blick auf die Wandtafel und bestellte einen Abu Ghureib. Die Zutaten versprachen eine gute Dröhnung.
    Vielleicht würde der Alkohol seine Unruhe dämpfen. Die Angst, die ihm so zusetzte.
    Was würde er tun, wenn Bernd sterben sollte? Die Band brach auseinander. Etwas anderes außer Gitarrespielen hatte er nicht gelernt. Er könnte den Taxischein machen und durch die Nacht brausen wie der grimmige Türke von eben. Was würde er verdienen? Drei oder vier Euro die Stunde, die er noch versteuern müsste.
    Die Bedienung brachte den Cocktail. Sie trug rote Klamotten. Eine Kette um den Hals, an der ein Medaillon hing. Er fragte: »Hey, bist du eine Sannyasi?«
    Sie beachtete ihn nicht. Am liebsten hätte er ihr den Anhänger abgenommen, um zu sehen, ob es eine Mala mit dem Bild von Bhagwan war. Seine Mutter hatte immer eins in einer Silberfassung an ihrer Kette gehabt. Sie war in Poona an irgendeiner Krankheit gestorben. Mit sechs Jahren war er deshalb bei ihren Eltern in Recklinghausen gelandet, Spießer, die schlecht über ihre Tochter redeten und ihn wie eine Missgeburt behandelten, bis sie ihn ins Heim abschoben.
    Bernds Worte: Ich war mehrmals drauf und dran, nach Poona zu fliegen.
    Sven bemerkte, dass er weinte. Er wischte sich die Tränen von der Wange und sog lange am Strohhalm.
    Ein Kerl musterte ihn. Er war jung und gelb wie ein Kanarienvogel. Der enge Pulli brachte die Muskeln zur Geltung. Rasch wandte Sven den Blick ab. Wieder so ein Typ, der es darauf anlegte, ihn verlegen zu machen.
    Sven überlegte, dass er Anna verletzt hatte und sich bei ihr entschuldigen musste. Dann kam er zu dem Schluss, dass sie besser in Bosnien geblieben wäre. Kaum war die Frau zurück, schrieben die Zeitungen wieder über den schwulen Maler. Und schließlich hatte die

Weitere Kostenlose Bücher