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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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»Die Chefin hat angeordnet, dass ich die Finger von sämtlichen Ermittlungen lassen soll. Aber trotzdem haben wir etwas herausbekommen. Du glaubst nicht, was man alles im Internet findet.«
    »Und?«
    »Zumindest als Beißer kommt Rüdiger Fricke nicht infrage. Am 14. Oktober 2004 war er mit Uwe Strom und sechs Landesministern sowie über hundert weiteren Gästen aus Nordrhein-Westfalen auf einem so genannten Wirtschaftsforum in Moskau.«
    »War das der Tag, als in Straubing …«
    »Genau. Der junge Mann, der in der Einliegerwohnung im Souterrain seines Elternhauses erschlagen wurde. Seine Mutter hat ihn am Morgen des 15. Oktober entdeckt. Für Straubing scheidet Fricke also aus und damit auch für Reutlingen, denn laut DNA-Analyse ist der Täter in den beiden Fällen identisch. Schmiedinger fährt morgen früh zurück. Die aktuellen Umstände in unserer Behörde geben ihm wenig Hoffnung auf Fortschritte und ich fürchte, er hat Recht.«
    »Was machst du ab morgen?«
    »Es geht mal wieder ein Raumbedarfsplan durch die Dienststellen. Du weißt schon, der Neubau, der irgendwann kommen soll. Bach hat mir das aufs Auge gedrückt. Ich werde Thilo Becker die Besenkammer zuteilen und uns beiden die schönsten Büros des neuen Präsidiums. Das versprech ich dir.«
    »Also sieht es so aus, als kämen wir an Fricke nicht ran und an den Ministerpräsidenten erst recht nicht.«
    »Im Vertrauen: Hattest du etwas anderes erwartet? Aber was wir wissen, kann uns keiner nehmen, und sobald wir intern aus dem Schneider sind, greifen wir an.«
    »Ich werde dich an deine Worte erinnern. Grüß Schmiedinger von mir.« Anna beendete das Gespräch.
    Nur wenige Sekunden später klingelte es erneut. Wieder war es Wegmann. »Hab ich ganz vergessen: Ich treff mich gleich nochmal mit Schmiedinger. Ein kleiner Altstadtbummel zum Abschied. Er sagt, er würde sich freuen, wenn du den Abend mit uns …«
    Anna bemühte sich, den beiden Kollegen auf höfliche Weise einen Korb zu geben, und steckte das Handy weg.
    Picasso zerrte an der Leine. Als es zum dritten Mal klingelte, begann der kleine Hund zu kläffen. Anna drückte auf den grünen Knopf und sagte: »Nein, ich habe wirklich keine Lust.«
    Eine Stimme, die ganz anders klang als Wegmanns, antwortete: »Das ist aber schade.«
    Anna fragte: »Jonas, bist du’s?«
    »Ja. Frisch zurück aus Stuttgart. Der Prozess hat sich verzögert, ich musste den Rückflug umbuchen. Aber jetzt bin ich endlich wieder in Düsseldorf und dachte, wir könnten …«
    »Tut mir leid«, sagte Anna.
    »Keine Lust, ich weiß.«
    »Ich bin schon verabredet.«
    »Sag dem Glücklichen, dass Jonas Freyer ihn beneidet.«
    Eigentlich hatte Anna ihren Vater zu Hause vermutet, als sie mit Picasso in die Hasselstraße zurückkehrte, doch ihr Begrüßungsruf blieb ohne Antwort.
    Sie platzierte den Rosenstrauß als Blickfang auf die Kommode in der Diele, gleich neben den Alabasterbuddha. Dem Karton mit dem Edelfüller und den Tagebüchern ihrer Mutter entnahm sie einen Bogen Briefpapier aus Amalfi – handgeschöpft und voller rosafarbener Blütenblätter. Sie beschriftete ihn und steckte ihn zwischen die Blumen. Sobald ihr Vater die Tür öffnete, würde er ihre Botschaft entdecken.
    Du wirst immer mein Papa bleiben – Anna.
    Sie zog eine frische Jeans an und eine Bluse, die nicht allzu verknittert war, trug etwas Parfüm auf und begutachtete im Spiegel des Badezimmers ihre Frisur, um festzustellen, dass da nicht viel zu machen war.
    Mit etwas Verspätung fuhr sie zu ihrer Verabredung.

60.
    Die Vulkanstraße im Düsseldorfer Bahnhofsviertel. Anna fand das Haus auf Anhieb wieder. Die Eingangstür war unverschlossen. Alte Holzstufen knarrten unter Annas Sohlen. Im zweiten Stock ein Klingelschild: Arnold.
    Sie schellte. Ein schriller, altmodischer Ton drang durch die weiß lackierte Tür in den Hausflur. Sven öffnete. Eine Schürze vor seiner Brust.
    Bevor sie ihn begrüßen konnte, machte er schon wieder kehrt und lief in die Küche. »Muss nur rasch etwas vom Herd nehmen!«
    Anna trug ihm die Weinflasche hinterher, die sie mitgebracht hatte. Ein Grand Cru aus Vaters Beständen. »Es riecht gut«, stellte sie fest.
    Sie betrat eine geräumige Wohnküche mit hoher Decke und Wänden in hellem Grün. In einem Topf brodelte Sauce, der Dampf füllte den Raum und schlug sich am Fenster nieder. Sven rührte um und schob den Topf von der Platte, dann kippte er das Fenster, um den Dunst abziehen zu lassen. Mit der Schürze wischte er

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