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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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über die Scheibe.
    Anna blickte sich um. Die Einrichtung schien aus dem schwedischen Möbelhaus an der Autobahnabfahrt von Holzbüttgen zu stammen. Sven hauste wie ein Student, es hatte den Charme der Improvisation. Nur der Tisch war perfekt gedeckt wie in einem Gourmettempel: mehrere Teller und jede Menge Besteck. Eine Kerze brannte. Aus einem Reagenzglas reckte sich eine Margerite.
    Sven hauchte Anna einen Kuss auf die Wange. »Schön, dass du da bist.«
    Sie überreichte ihm die Flasche und dachte: Wir werden es langsam angehen.
    Er studierte das Etikett und runzelte die Stirn. »Muss sicher erst einmal Luft bekommen.« Mit einem Korkenzieher machte er sich ans Werk.
    »Weißt du, ob mein Vater heute im Präsidium war?«, fragte Anna.
    »Keine Ahnung. Ich hatte den Nachmittag frei. Was sollte er dort?«
    »Es gibt da einen Kriminaloberkommissar, der sich als harter Hund profilieren will. Und ich wette, dass letztlich die Staatskanzlei dahintersteckt.«
    »Geht es um den Mord an Daniel Lohse?«
    »Mein durchgeknallter Kollege will meinem Vater sogar die Explosion in der Schützenstraße anhängen.«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Bin gespannt, welche Tricks mein Onkel noch auf Lager hat.«
    Den ersten Gang bildete ein Salat aus verschiedenen Blättern, halbierten Weintrauben und gerösteten Pinienkernen. Das Dressing schmeckte würzig. Dazu knabberten sie Baguette aus dunklem Teig mit Walnüssen.
    Sven fragte: »Was machen die Ermittlungen?«
    »Ich glaub, ich weiß, wer Daniel umgebracht hat.«
    »Tatsächlich?«
    »Eine Spur deutet auf jemanden in der Staatskanzlei. Politik torpediert jetzt die Ermittlungen, aber ich lasse nicht locker. Früher oder später krieg ich den Kerl.«
    Mit vollem Mund sagte Sven: »Ich hab Daniel übrigens kurz vor seinem Tod im Armageddon gesehen. Am Abend bevor unsere Tournee begann.«
    Anna wurde hellhörig. »Ist dir dabei etwas aufgefallen? War er in Begleitung, hat er sich mit jemandem gestritten?«
    »Hm.« Sven spülte mit Wein nach, dann fragte er: »Kennst du das Armageddon? «
    »Ja, du meinst die Kneipe am Rand der Altstadt, die mal Notorious hieß. Früher ein Jazzlokal, dann ein japanisches Restaurant.«
    Sven nickte.
    Anna sagte: »Ich war lang nicht mehr dort.«
    »Jetzt gibt’s da Cocktails und gute Rockmusik vom Band. An dem Abend hab ich einen Mann gesehen, der Daniel ständig angeglotzt hat. Dann hat Daniel ihn angesprochen und mir fiel auf, dass der Unbekannte nervös wurde. Ich dachte mir noch, dass es unverantwortlich von Daniel ist, jemanden so in Verlegenheit zu bringen. Ich meine, einen Kerl einfach so anzusprechen, den man gar nicht kennt.«
    »Erinnerst du dich an das genaue Datum?«
    »Da müsste ich nachsehen. Wie gesagt, am nächsten Tag fuhren wir mit unserem Bandbus nach Braunschweig, wo wir den ersten Gig hatten. Und drei oder vier Tage später wurde Daniel ermordet.«
    »Kannst du diesen Unbekannten beschreiben?«
    »Mein Gedächtnis ist nicht toll und ich fürchte, ich hab damals vielleicht einen Cocktail zu viel getrunken. Der Typ war groß, dunkle Haare, mittellang. Etwas schlampig angezogen. Irgendwie passte er nicht in das Lokal.«
    »Alter?«
    »Vielleicht so um die dreißig Jahre.«
    Bis auf das Alter klang es nicht nach Rüdiger Fricke, dachte Anna. Aber vielleicht lohnte es sich dennoch, diese Spur zu verfolgen. Sie fragte: »Haben die beiden das Armageddon zusammen verlassen?«
    »Kann sein. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »Entschuldigst du mal kurz?«
    Anna holte ihr Handy hervor und wählte Wegmanns Nummer. Der Kollege hockte jetzt vermutlich mit Schmiedinger in einem Brauhaus. Der Ermittler aus Straubing besaß Kopien der Akte. Womöglich waren die beiden bereit, Svens Angaben zu überprüfen.
    Wegmann ging nicht ran. Wahrscheinlich war ihm das Altbier wichtiger. Eine höfliche Computerstimme bat darum, eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen.
    »Mist«, entfuhr es Anna. Nach dem Signalton sprach sie: »Ich bin hier gerade bei einem Zeugen, der Daniel Lohse wenige Tage vor der Tat mit einem Unbekannten im Armageddon gesehen hat. Daniel hat diesen Unbekannten angesprochen, nachdem der ihn eine Weile angestarrt hatte. Zwei Bettgefährten, die sich suchten und fanden, würde ich sagen, wobei der Unbekannte auffällig nervös reagiert hat, weil Daniel ihn irgendwie in Verlegenheit gebracht hat. Vielleicht bringt uns das an diesen Fricke ran.«
    Sie sah zu Sven hinüber, der seine letzten Salatblätter mampfte und

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