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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Knie vor ihm und sagte weinend:
    „Durchlaucht, Sie haben die Macht. Retten Sie meinen Vater, und wir werden Sie segnen, so lange wir leben!“
    „Stehen Sie auf, liebes Kind! Ich werde tun, was in meinen Kräften steht. Herr Staatsanwalt, was wollten Sie noch hinzufügen?“
    „Wissen Sie, daß Petermann erst gestern entlassen worden ist?“
    „Wo?“
    „Aus dem Zuchthaus.“
    Wally stieß einen lauten Schmerzensschrei aus und legte weinend die Hände vor das Gesicht. Ihr Vater war bleich, sehr bleich geworden. Der Fürst blickte ihn jetzt nicht an. Er fragte weiter.
    „Wie lange war er gefangen?“
    „Vier Jahre. Das fünfte wurde ihm von Seiner Majestät erlassen.“
    „Also hat er sich gut geführt?“
    „Straflos.“
    „Weshalb wurde er bestraft?“
    „Wegen Unterschlagung.“
    „Gott, mein Gott!“ schluchzte Wally. „Durchlaucht, ich kann nichts beweisen, und mein Vater schweigt darüber. Er ist kein Betrüger; er ist einer solchen Tat unfähig. Er ist unschuldig und muß sich für einen anderen aufgeopfert haben!“
    Da richtete der Fürst einen schweren, forschenden Blick auf Petermann und fragte:
    „Waren Sie schuldig oder unschuldig?“
    Der Gefragte hatte noch nie den durchbohrenden, alles erforschenden Blick eines solchen Auges gefühlt. Es war ihm, als ob er nichts, gar nichts verheimlichen könne, aber er raffte sich zusammen. Es war ihm, als ob er sterben müsse; aber mit diesen Todesschmerzen in der Seele antwortete er ruhig:
    „Ich war nicht unschuldig.“
    Da nahm das Auge des Fürsten einen milden Glanz an; sein Gesicht erheiterte sich und er sagte:
    „Wollen Sie mich wirklich täuschen, Petermann?“
    Der Gefragte schwieg verlegen.
    „Mögen Sie dem Untersuchungsrichter diktiert haben, was Sie wollen; mag in Ihren Akten Ihre Schuld aufs Klarste erwiesen sein, Sie sind doch unschuldig!“
    „Durchlaucht!“ jauchzte Wally auf, indem sie seine Hände ergriff und mit Küssen bedeckte.
    „Ja, Sie sind unschuldig“, fuhr er fort, „damals geradeso wie auch heute. Sie mögen Gründe haben, die Schuld eines andern auf sich zu nehmen; ich achte dieselben, noch mehr aber achte ich den Mann, der die Kraft hatte, eine so unverdiente Schande auf sich zu nehmen; Ihr Auge und Ihr Gesicht, sie lügen nicht. Sie sind ein Ehrenmann!“
    Petermann hörte diese Worte. Seine Brust ging hoch und schwer, ein unartikulierter Schrei entrang sich seiner Lunge; dann plötzlich warf er sich zu den Füßen des Fürsten nieder und sagte:
    „Durchlaucht, wann soll ich für Sie sterben? Jetzt gleich? Sofort? Ich bin bereit dazu.“
    Der Fürst hob ihn empor und sagte:
    „Stehen Sie auf! Ich bin ein wenig Psychologe und weiß den Braven vom Schurken zu unterscheiden. Das ist alles!“
    „O nein, nicht alles! Sie haben mich dem Leben, dem Glück wiedergewonnen. Sie haben an mich geglaubt, Sie und meine Tochter; nun will ich mich gern wieder einsperren lassen. Herr Staatsanwalt, ich bin Ihr Gefangener.“
    Der Beamte war tief gerührt. Dennoch sagte er:
    „Ich würde Ihnen diese Prüfung gern erlassen, lieber Petermann, aber ich darf meinem Herzen keine Folge geben. Doch werde ich dafür sorgen, daß die Haft recht bald zu Ende gehe.“
    Der Blick Wallys hing mit rührender Bitte an dem Auge des Fürsten. Dieser lächelte ihr ermutigend zu und fragte:
    „Dürfen Sie ihn nicht auch gegen eine sehr, sehr hohe Kaution freilassen?“
    „Nein. Nur ein Befehl von oben kann ihn vor dieser Haft bewahren.“
    „Na, dieser Befehl ist da!“
    „Wo?“
    „Auf der Karte, welche ich Ihnen zeigte.“
    „Hm! Geben Sie dieser Legitimation eine so weite Ausdehnung?“
    „Ganz gewiß! Was ich tue, ist so gut, als ob seine Exzellenz selbst es getan hätte. Ich verantworte es.“
    „Und Seine Majestät –?“
    „Sind allerhöchst damit einverstanden.“
    „Wollen Sie mir darüber Ihre Unterschrift geben?“
    „Sehr gern!“
    „Nun, unter dieser Bedingung kann ich Sie, Petermann, gegen Handgelöbnis auf freien Fuß lassen.“
    Das Entzücken des Vaters und seiner Tochter läßt sich gar nicht beschreiben. Niemand aber hegte in diesem Augenblicke eine solche an Anbetung grenzende Ehrfurcht für den Fürsten wie Robert Bertram. Er hätte vor Bewunderung sich ihm wie ein Hund vor die Füße legen mögen.
    Die Unterschrift wurde ausgestellt, auch in betreff der Kautionen für Robert und Wilhelm. Dann leistete Petermann den Handschlag. Die Formalitäten waren zu Ende.
    „Jetzt, Herr Staatsanwalt, habe ich Ihnen

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