62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
er ist also noch wach?“
„Ja.“
„Sapperment! Wenn man etwas Warmes bekommen könnt! Hier sind wir sicher. Drei Stunden laufen bei dieser grimmigen Kälte, das ist nichts Kleines! Würden Sie es erlauben, Herr?“
Nichts konnte Arndt erwünschter kommen, als diese Frage.
„Ich habe bereits auch daran gedacht“, sagte er, „und euch einen Kaffee bestellt.“
Ein Murmeln der Zufriedenheit durchlief die Reihe der Männer. Der eine sagte:
„Ja, hier ist es anders, als draußen im Freien: erstens gemütlicher, und zweitens sicherer. Einmal zur Tür hinein, so ist man geborgen. Aber wo trinken wir?“
„Die Tassen stehen drin auf den Tischen. Wollt ihr aber lieber gleich hier trinken, so ist mir's recht.“
„O nein; drin ist es wärmer.“
„So kommt!“
„Ja. Drin können wir auch gleich die Faktura in Ordnung bringen, Herr!“
Arndt führte sie in die Stube, wo auf den Tischen die einladenden Tassen zu sehen waren. Zu seiner Freude legten diejenigen, welche Gewehre trugen, diese gleich in der Ecke ab; er blieb natürlich dabei stehen, während sie sich an die Tische setzten.
Jetzt trat die Müllerin herein. Ihr Gesicht war sichtlich verlegen, doch konnte das gar nicht befremden. Beim erstmaligen Besuch solcher Leute hätte auch eine jede andere Frau ein nicht ganz sicheres Benehmen gezeigt.
„Bringen Sie den Kaffee herein!“ sagte Arndt zu ihr.
Sie ging in die Küche; aber bereits im nächsten Augenblick hörte sein scharfes Ohr ihren leisen Schritt, und dann das Knarren der Mühlentür. Andere Schritte huschten dann über den Flur herüber. Jedenfalls horchte man nun an der Tür auf das Kommandowort zum öffnen. Er griff in die Taschen, zog zwei Revolver hervor, spannte sie, hielt sie den Leuten entgegen und sagte:
„Jetzt kommt das Warme, welches ich euch versprochen habe. Wer von euch sich rührt, der erhält eine Kugel! Herein!“
Das letzte Wort war laut und gebieterisch gerufen. Die Tür öffnete sich, und im Moment füllte sich das Zimmer mit Bewaffneten.
Ein einziger, aber vielstimmiger Schrei des Schreckes erscholl aus dem Mund der betrogenen Pascher; aber sie sahen so viele Gewehrläufe auf sich gerichtet, daß sie erkannten, daß Widerstand der reine Wahnsinn sei.
„Verdammter Kerl dort, das büßest du uns!“
Dieses Wort rief der, welcher bisher den Sprecher gemacht hatte. Es war das einzige, welches gesprochen wurde.
„Haben Sie Fesseln mit, Herr Obergendarm?“ fragte Arndt.
Der Genannte lachte froh über den gelungenen Streich und antwortete:
„Keine Sorge! Mit Stricken sind wir genügsam versehen. Bindet sie alle. Wer sich wehrt, wird so fest geschlossen, daß ihm das Blut aus dem Fleisch spritzt!“
Diese Drohung wirkte: Die Gefangenen ließen sich binden, ohne sich zu sträuben. Der Obergendarm wendete sich dann mit der leisen Frage an Arndt:
„Was aber nun?“
„Wir schaffen sie hinüber in die Mühle. Man kann nicht wissen, wer hier noch Zutritt nimmt.“
„Denken Sie, daß wir sie drüben ebenso sicher haben wie hier?“
„Warum nicht? Sie sind gefesselt, und außerdem erhält ein jeder einen Mann Wache. Wir können ja glücklicherweise über genug Leute verfügen.“
„Diese letzteren werden aber notwendig gebraucht!“
„Wozu?“
„Dann, wenn Sie die anderen bringen.“
„Da brauchen wir keinen einzigen Mann.“
„Wieso?“
„Ich schließe sie alle ein.“
„In den Keller?“
„Ja.“
„Wollen wir nicht erst nach den Paketen sehen?“
„Nein. Ich habe keine Zeit dazu. Und wenn ich die Leute bringe, so müssen sie die Pakete auch wirklich im Keller sehen, um nicht Verdacht zu schöpfen.“
„Schön! Ganz wie Sie wollen! Ich wünsche nur, daß der zweite Teil Ihres Streichs ebenso gelingt wie der erste!“
„Hoffen wir es.“
„Nehmt ihnen die Masken ab!“
Dieser Befehl des Gendarmen wurde ausgeführt, und nun war manches Gesicht zu sehen, welches den Beamten nur zu gut bekannt war, und dessen Besitzer öfters schon die Bekanntschaft des Strafrichters und auch des Gefängnisses gemacht hatte. Arndt kümmerte sich nicht darum. Er ging wieder fort, dem Haingrund zu.
Als er diesen erreichte und auf seine Uhr sah, zeigte diese auf halb nach der ersten Stunde. Er lauschte, hinter einem Baum stehend. Niemand war zu sehen. Bald aber hörte er nahende Schritte. Es kam ein Mann, welcher eine Maske vor das Gesicht gebunden hatte. Als derselbe vorübergehen wollte, sagte Arndt mit gedämpfter Stimme:
„Halt! Die
Weitere Kostenlose Bücher