63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
verdienen, viel Geld? Warum üben Sie auch jetzt wieder Tag und Nacht? Etwa nicht um des Mammons willen?“
„Ich bin arm, bitter arm; das sehen Sie!“
Er deutete dabei auf die ärmliche Ausstattung des kleinen Kämmerchens.
„Und mich halten Sie für reich?“
„Man sagte mir so. Hatte man vielleicht nicht recht?“
„Man hatte recht. Ich besaß Millionen. Aber was ist dieser Besitz wert? Macht er das Herz glücklich?“
Sie schwieg eine kleine Weile; dann fuhr sie fort:
„Ich habe da drüben jenseits des Ozeans viel, viel besessen. Es ging mir alles verloren, alles. Nun bin ich arm, ärmer als Sie, das können Sie mir glauben.“
„Und dennoch tragen Sie Brillanten!“
Er deutete dabei nach ihren Ringen und Armbändern, an denen kostbare Diamanten funkelten. Sie zuckte die Achsel und schwieg.
„Warum treten Sie mit dieser Leda in die Schranken, Miß Ellen?“ fragte er.
„Tue ich das?“ warf sie ein.
„Dieses Weib ist nicht wert, Sie auch nur anzublicken, und doch ringen Sie mit ihr um die Anstellung an dem zweiten Theater dieser deutschen Stadt!“
Ein abermaliges Achselzucken war ihre einzige Antwort.
„Ich möchte diese Konkurrenz zur Hölle wünschen“, knirschte er. „Man weiß ja im voraus, daß Sie besiegt werden.“
„Wirklich?“ fragte sie lächelnd. Und sich hoch und stolz emporrichtend, fügte sie hinzu: „Mich besiegt man nicht!“
„Die Leda hat das Anstellungsdekret so gut wie in der Hand. Ich weiß es.“
„Und das nennen Sie eine Niederlage für mich?“
„Doch jedenfalls.“
„Das ist wieder ein Beweis, daß Sie mich nicht verstehen. Ah, da kommt Ihre Schwester.“
Hildas Eintreten machte dem unerquicklichen Gespräch ein Ende. Die Amerikanerin gab sich keine Mühe, ihre Anwesenheit besonders zu verlängern. Als sie sich dann verabschiedete, reichte sie ihm die Hand mit den Worten:
„Vergessen Sie nie, was ich Ihnen sagte: Ich bin arm, sehr arm, viel, viel ärmer als Sie!“
Als sie die dunkle Treppe hinabstieg, kam ihr der Hausverwalter entgegen. Sie passierten aneinander vorüber. Dann blieb er murmelnd stehen:
„Wer war das? Eine vornehme Dame. Aber es klang ja ganz so, als ob sie weine, als ob sie ein Schluchzen unterdrücke! Ich muß mich verhört haben!“
Unten zog sie den dichten Schleier vor das Gesicht. So konnte man das letztere nicht deutlich erkennen.
Später trat sie in den Laden des bekanntesten und reichsten Juweliers. Sie trug selbst auf der Bühne stets nur echten Schmuck und hatte ihm einiges Geschmeide anvertraut, um eine oder mehrere kleine Änderungen daran vornehmen zu lassen.
Er befand sich mit einem ältlichen Herrn im Gespräch, bei welchem er sich durch eine tiefe Verbeugung entschuldigte, um sie bedienen zu dürfen. Dieser Herr betrachtete die Kostbarkeiten des Ladens, hörte aber dabei aufmerksam dem Gespräch zu, welches sie mit dem Juwelier führte.
Dieser glaubte, seine Kenntnisse zeigen zu müssen, indem er den Wert ihres Schmuckes taxierte. Der ältliche Herr trat hinzu und fragte:
„Wie sagen Sie? Ein Brasselett im Wert von über sechzigtausend Gulden? Bitte, darf ich es mir anschauen, Fräulein?“
Ellen streifte das Armband ab und gab es ihm in die Hand. Der Juwelier öffnete bereits den Mund zu einer Bemerkung, welche er für notwendig hielt, aber der Herr gab ihm einen von Ellen unbemerkten Wink.
„Herrlich!“ sagte er. „Wirklich entzückend! Wo ist dieser Schmuck gefertigt worden?“
„In St. Louis.“
Jetzt blickte er sie forschend an, dann fragte er:
„Sie sind Amerikanerin?“
„Ja.“
„Erst seit kurzem hier?“
„Seit sehr kurzem.“
„So irre ich mich wohl kaum, wenn ich annehme, daß Ihr Name Ellen Starton ist?“
„Ich heiße so.“
„Ich habe von Ihnen gehört. Sie werden heut abend hier auftreten. Ich möchte Sie gern sehen, bin aber leider nie in der Lage, das zweite Theater zu besuchen.“
Sie kamen in ein recht animiertes Gespräch miteinander. Natürlich war die Kunst der Gegenstand. Er hörte ihre Urteile, und es war ihm anzusehen, daß er von Sekunde zu Sekunde mehr Sympathie für sie gewann. Das zeigte sich, als sie ging. Er nahm Gelegenheit, zugleich mit ihr den Laden zu verlassen und wies den demütigen Gruß des Juweliers mit einem scharfen Wink zurück. Draußen vor der Tür fragte er:
„Wo logieren Sie, Fräulein?“
„Im Hotel Union.“
„Werden Sie dieses Haus zu Fuß erreichen?“
„Ich beabsichtige es.“
„So bitte ich um die Erlaubnis, Sie
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