63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
genug. Ich kenne Miß Ellen Starton von früher her.“
Da sprang der Kommissionsrat von seinem Stuhl auf.
„Was? Sie kennen sie?“
„Ja.“
„Woher?“
„Ich habe in den Vereinigten Staaten ihre Triumphe mitangesehen. Ich habe die begeisterten Referate aller dortigen Zeitungen gesammelt. Ich wollte sie dem Chefredakteur zur Einsicht vorlegen. Er wies mich damit zurück.“
„Welch eine Dummheit! Diese Referate sind jetzt ja ein wahrer Schatz für jede Redaktion.“
„Das bin ich überzeugt. Aber anstatt mir zu danken, warf er mir die gröbsten Flegeleien an den Kopf.“
„Sie ließen es sich gefallen?“
„Ich forderte ihn.“
„Wirklich? Interessant, höchst interessant! Was antwortete er?“
„Daß er sich mit einem Reporter nicht schlage.“
„Das sieht ihm ähnlich. Was haben Sie beschlossen?“
„Ich habe ihm gesagt, daß ich, da er sich vor der stählernen Genugtuung zu fürchten scheine, ihn auf eine andere Waffe fordern werde.“
„Ah, die Feder! Nicht wahr, die Feder?“
„Ja.“
„Aber dann brauchen Sie einen Kampfplatz, Herr Holm!“
„Ich hoffe, daß Sie mir das Journal zur Verfügung stellen werden, Herr Kommissionsrat.“
„Sie wollen als Reporter zu mir übertreten?“
„Gern, sehr gern, wenn Sie mich engagieren.“
„Natürlich, natürlich! Also, eröffnen wir den Kampf gegen diese gewissenlosen Subjekte. Dazu aber bedarf es Ihrer Unterlagen.“
„Ich stelle sie Ihnen zur Verfügung. Ich habe sie bei mir. Hier sind sie.“
„Schön! Ich selbst schreibe nicht für das Journal; ich habe nur die Direktion. Aber ich werde Einsicht nehmen und diese Arbeit dann einer geeigneten Kraft übergeben.“
„Ich hatte die Ehre, bereits zu bemerken, daß ich dem Chefredakteur diesen Kampf angeboten habe.“
„Wollen Sie damit sagen, daß Sie selbst diese Artikel schreiben wollen?“
„Ja.“
„Hm! Mein bester Herr Holm, es ist ein Unterschied zwischen Schreiben und Schreiben.“
„Ich weiß es.“
„Sie sind Reporter. Ein solcher kann seine kleinen Berichte über Arreturen, Droschkenmalheurs und ähnliches vielleicht ganz prächtig in Fasson zu bringen wissen, aber größere Einlagen verfassen, streitbare Artikel, wie die von uns beabsichtigten, aus der Feder schütteln, dazu gehört mehr, viel mehr, dazu gehört Erfahrung, Routine, Geist und vor allen Dingen die richtige – Mache!“
„Und das alles trauen Sie mir nicht zu?“
„Aufrichtig gestanden, nein.“
„Ich bitte dennoch, es mit mir zu versuchen!“
„Später, später werde ich Sie vielleicht zu solchen Arbeiten verwenden, jetzt aber kenne ich Sie noch nicht. Es ist mir gänzlich unbekannt, welchen Bildungsweg Sie zurückgelegt haben. Ihr Chefredakteur hat Sie ja wohl deshalb für nicht satisfaktionsfähig gehalten.“
„Nun, da hat er sich freilich sehr geirrt! Ich bitte den Herrn Kommissionsrat zum Beispiel, diesen kurzen Bericht zu lesen, welcher in Cincinnati über Fräulein Starton erschien!“
Er zog aus den Zeitungsausschnitten, welche er vorhin dem Rat gegeben hatte, einen hervor. Dieser las ihn und sagte dann:
„Sehr gut, sehr gut! Ich verstehe genug Englisch, um beurteilen zu können, daß der Verfasser dieser Zeilen eine tüchtige, ja, eine seltene Kraft ist. So kann nur ein Yankee schreiben, so scharf, schneidig, treffend und dabei kenntnisvoll.“
„Nun, der Verfasser würde wenigstens ebensogut in deutscher Sprache schreiben!“
„Dann wäre er der richtige Mann für unsere Angelegenheit, und ich wollte, ich hätte ihn hier.“
„Sie haben ihn ja!“
„Ich? Hier?“
„Ja. Bitte, wollen Sie bemerken, wie er sich unterzeichnet?“
„Doktor H. Also akademisch gebildet. Das konnte ich mir denken. Aber wo steckt der Mann?“
„Gegenwärtig bei Ihnen.“
„Was, wie? Mit H fängt sein Name an, und Sie heißen Holm?“
„So ist es, Herr Kommissionsrat.“
„Wollen Sie etwa sagen, daß Sie der Verfasser sind?“
„Nichts anderes!“
„Sie scherzen! Sind Sie denn im Besitz dieses akademischen Grades?“
„Ich bitte, davon überzeugt zu sein!“
„Aber, Mann, Mensch! Und Sie reportern?“
„Ich hatte meine Gründe.“
„Da geht mir ein Licht auf! Sind Sie etwa auch der Verfasser jener Künstlerbriefe aus Amerika, nach denen ich Sie gestern fragte?“
„Ja. Heute nun kann ich es eingestehen.“
„Und können Sie mir für das Journal vielleicht Ähnliches schreiben?“
„Sehr gern.“
„Da sehen Sie mich allerdings freudigst überrascht. Wieviel
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