63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
die Störung, Monsieur Jean. Ich empfehle mich!“
„Adieu, Herr Holm! Ein anderes Mal länger! Adieu!“
Holm lachte in sich hinein. Er hatte seinen Zweck erreicht und begab sich nun in die Expedition des Kommissionsrates, von dem er einen ungewöhnlichen Empfang zu erwarten hatte.
Er bemerkte bei seinem Eintritt sofort, daß er sich allerdings mit dieser Vermutung nicht geirrt habe, denn als der Rat ihn erblickte, fuhr er von seinem Stuhl empor und fragte unter Stirnrunzeln:
„Endlich, endlich! Warum lassen Sie sich nicht früher sehen?“
„Ich war zu beschäftigt.“
„Zu beschäftigt? Ihre Beschäftigung hätte Sie doch gerade zu mir führen müssen. Sie haben jedenfalls die heutige Nummer des Residenzblatts gelesen.“
„Nein.“
„Was! Noch nicht?“
Der Rat zog in zorniger Verwunderung die Brauen hoch empor. Holm zuckte die Achsel und meinte:
„Es war mir nicht möglich, weil ich keine Zeit hatte.“
„Keine Zeit! Aber, Herr Doktor, gerade darauf sollen Sie Ihre Zeit doch am ersten verwenden!“
„Entschuldigung! Es gab heute früh viel Nötigeres.“
„So begreife ich Sie nicht. Für mich gibt es nichts Eiligeres, als zu erfahren, in welcher Weise Sie diese Sippe vom Residenztheater ad coram nehmen werden.“
„Gerade deshalb war ich von hier abgehalten.“
„So! Wirklich? Na, dann könnte es allerdings als Entschuldigung gelten.“
Holm ließ ein leises Lächeln hören und bemerkte:
„Zudem ich mir wohl sagen darf, daß es mir erlaubt sein wird, über meine Zeit zu verfügen!“
„Natürlich! Sie sind Mitarbeiter und nicht Bürodiener. Aber Sie wissen ja, daß ich mich für diese Angelegenheit fast fieberhaft interessiere, und so dachte ich, daß Sie Rücksicht nehmen und mich nicht warten lassen würden. Hier ist die heutige Nummer des Residenzblattes. Da!“
Er deutete mit dem Finger auf die betreffende Stelle. Holm nahm das Blatt und las:
„Der gestrige Abend brachte auf unserer Bühne eine Vorstellung, wie sie interessanter wohl niemals gegeben worden ist. Es schien in unserer Stadt sich im stillen eine Spaltung vollzogen zu haben. Man hatte sich in zwei Lager geteilt. In dem einen schwor man zur Leda und im anderen zur Amerikanerin.
Die ersteren waren es, welche es mit der Kunst ernst nehmen, und zu diesen haben wir zu aller Zeit gehört. Was wir erwartet und vorausgesehen hatten, geschah. Mademoiselle Leda glänzte in einer Leistung, welche alles ins höchste Entzücken versetzte. Sie ist eine Künstlerin von Gottes Gnaden und wird wohl nie ihresgleichen finden.
Im anderen Lager hatten sich die Stillen im Land, die Schleicher gesammelt. Unter diesen bemerkten wir natürlich auch die Vertreter desjenigen hiesigen Blattes, welches vom Hochmut strotzt, weil es meint, von Seiten der Aristokratie, der Regierung inspiriert zu sein. Auch sie waren auf den Bänken erschienen, aber nur, um zu sehen, welch einen jämmerlichen Fall die Amerikanerin tat. Wir hatten dieser Miß Starton bereits den Platz in der Kunst angewiesen, welcher ihr gehört, nämlich gar keinen. Und ganz so, wie wir es vorausgesagt hatten, zeigte es sich, daß sie nicht wert sei, die Schuhriemen der Leda auch nur zu berühren.
Diese letztere erreichte einen so ausgesprochenen Triumph, daß an betreffender Stelle sofort beschlossen wurde, ihr noch an demselben Abend ihr Engagement zu erklären. Es begab sich zu diesem Zweck eine Deputation nach ihrer Wohnung, welche aber leider die gefeierte Künstlerin nicht anwesend fand. Wenn unsere freundlichen Abonnenten diese Zeilen lesen, wird aber Mademoiselle Leda bereits wissen, daß wir glücklich sind, sie als ersten Stern an unserem Theaterhimmel festhalten zu dürfen.
Wir sind überzeugt, daß unsere Gegner hiermit eine Lehre erhalten haben, welche ihnen ebenso nötig wie unvergeßlich sein wird. Man kann leicht Rat sein, ohne Rat zu wissen, und nicht jeder sogenannte Leiter eines sogenannten Regierungsblattes hat das Zeug, seine Kommissionen richtig auszuführen.“
Holm legte die Zeitung von sich und schüttelte den Kopf.
„Nun, was sagen Sie dazu?“ fragte der Kommissionsrat.
„Daß ich diese Leute für frivol, für gewissenlos, nie aber für so dumm gehalten habe.“
„Dumm? Können Sie ihnen nachweisen, daß sie dies sind?“
„Ja.“
„Öffentlich?“
„Gewiß.“
„Das ist höchst wünschenswert. Wer ist der Verfasser?“
„Der Chefredakteur. Ich kenne seinen Stil.“
„Was sagen Sie besonders zu dem letzten Passus?“
„Daß
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