63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
dein!“
„Ja, freilich!“
„Das kann man ja kaum fassen und begreifen! Woher hast du es denn erhalten?“
„Von meinem neuen Chef.“
„Einen neuen Chef hast du?“
„Ja.“
„Du sprichst in Rätseln!“
„Nun, ich bin nicht mehr bei dem Residenzblatt, sondern bei dem Regierungsjournal angestellt.“
„Oh, das wäre ein Glück!“
„Es wäre nicht nur, sondern es ist ein Glück. Und zwar bin ich nicht Reporter, sondern wirklich Mitarbeiter. Ich habe Artikel zu schreiben.“
Sie legte in tiefer, freudiger Bewunderung die Hände zusammen und sagte zu ihm:
„Max, es wäre gar nicht hübsch von dir, wenn du Spaß machtest!“
„Hilda, es ist Ernst.“
„O Gott, dann haben wir das Glück ja in aller, aller Wirklichkeit!“
„Gewiß, meine liebe Schwester. Der Kommissionsrat selbst hat mich engagiert und mir hundert Gulden vorausbezahlt.“
„Hundert Gulden!“
„Ja. Und mit dem Fürsten von Befour habe ich auch gesprochen. Denke dir!“
„Mit diesem hohen, berühmten Herrn? Wo trafst du ihn?“
„Gestern abend bei Geheimrats, wo ich zu spielen hatte. Man war so zufrieden, daß ich noch zehn Gulden erhielt und der Fürst hat mich sogar erkannt!“
„Erkannt? Wieso?“
„Er hat mich drüben in den Vereinigten Staaten gesehen und gehört und sich sofort an mich erinnert. Ich konnte nicht leugnen, und wurde von ihm eingeladen.“
„Zu diesem Herrn eingeladen? Max, weißt du, was das heißt?“
„O gewiß, Hilda.“
„Wann sollst du kommen?“
„Heute früh neun Uhr.“
„Heute – früh! Das ist ja vorüber!“
„Freilich!“
„Warst du denn dort?“
„Natürlich!“
„Das mußt du mir erzählen! Was wollte er? Was hatte er mit dir zu sprechen?“
„Über dieses.“
Hatte er den Arm mit Absicht so gehalten, oder war sie mit ihren eigenen Gedanken so beschäftigt gewesen, daß sie nichts bemerkt hatte, kurz, als er ihr jetzt seine Hand zeigte, fuhr sie erschrocken zurück.
„Herrgott!“ sagte sie. „Du bist verbunden! Sag, was ist's mit der Hand? Was ist geschehen?“
„Nichts Böses! Sei ohne Besorgnis, liebe Hilda! Ich bin operiert worden.“
„Operiert! Und das sagst du so lächelnd!“
„Ja. Ich werde nämlich in ganz kurzer Zeit diese Hand geradeso gebrauchen können wie vorher.“
„Du meinst, daß du mit der linken Hand wieder die Saiten greifen kannst?“
„Ja.“
Er erzählte ihr alles, was er seit gestern erlebt hatte, nur Ellen Starton erwähnte er nicht. Sie hörte ihm aufmerksam zu. Ihr schönes Gesichtchen wurde immer röter und röter, von seltener Freude gefärbt. Und als er endlich geendet hatte, glänzten Tränen des Entzückens in ihren Augen.
„Welch ein Glück, welch ein großes, großes Glück!“ sagte sie. „Max, bist du auch dankbar gewesen?“
„Dankbar? Oh, wie sehr.“
„Du meinst, dem Fürsten und dem Kommissionsrat?“
„Ja.“
„Ich meine einen anderen.“
„Wen?“
„Den lieben Gott. Hast du bereits gebetet?“
Er senkte den Blick. Über seine Schläfen zog sich eine leise Röte. Er antwortete nicht.
Da wendete sie sich gegen das Fenster, durch welches die Strahlen der winterlichen Sonne hereinbrachen, faltete die Hände und sagte mit halblauter Stimme:
„Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,
Dem Vater aller Güte,
Dem Gott, der alle Wunder tut,
Dem Gott, der mein Gemüte
Mit seinem reichen Trost erfüllt.
Dem Gott, der allen Jammer stillt.
Gebt unserm Gott die Ehre!“
Und hingerissen von dem frommen Bild, welches ihm die Schwester bot, trat er zu ihr, legte den linken Arm um sie, zog sie an sich, ergriff mit seiner Rechten ihre beiden Hände und sagte:
„Ich rief den Herrn in meiner Not;
Ach Gott, erhör' mein Schreien!
Da half mein Helfer mir vom Tod
Und ließ mir Trost gedeihen.
Drum dank, ach Gott, drum dank ich Dir
Ach danket, danket mit mir,
Gebt unserm Gott die Ehre!“
Und beide vereint fuhren dann fort:
„So kommet vor sein Angesicht
Mit jauchzenvollen Sprüngen.
Bezahlet die gelobte Pflicht,
Und laßt uns fröhlich singen:
Der Herr hat alles wohl bedacht
Und alles, alles recht gemacht;
Gebt unserm Gott die Ehre!“
Sie standen noch eine Weile ineinander verschlungen, still und in Dankbarkeit versunken. Dann machte Hilda sich leise von dem Bruder los und zog ihr Portemonnaie hervor. Ihr Gesichtchen erglühte, als sie stockend sagte:
„Lieber Max, blicke einmal da hinein!“
Er blickte sie erst forschend an; dann öffnete er das Geldtäschchen, um zu sehen, was es enthalte.
„Was
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