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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagte es ihm und hielt es für sehr verwunderlich, daß er dann mit einem raschen Schritt zum Fenster trat. Er wollte die Glut verbergen, welche sein Gesicht bedeckte. Endlich drehte er sich um und fragte:
    „Warum nahm sie dich mit zu sich?“
    „Um mir Arbeit zu geben.“
    „Hast du Aufträge erhalten?“
    „Ich soll nur für sie arbeiten, und die hundert Gulden hat sie mir vorausbezahlt.“
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als ob da etwas wegzuwischen sei. Dann fragte er:
    „Wie heißt sie?“
    „Hier ist ihre Karte, welche sie mir mitgab.“
    Er warf einen Blick darauf und sah den Namen, der ihm der allerteuerste war. Dann sagte er im Ton tiefster Traurigkeit:
    „Hilda, o Hilda, hättest du das doch nicht gemacht!“
    „Was denn? Sie nahm mich ja mit! Konnte ich anders?“
    „Das Geld solltest du nicht nehmen.“
    „Warum nicht? Ich hatte solche Freude. Wir befanden uns in so tiefer Bedrängnis.“
    „Und dennoch hättest du es zurückweisen sollen!“
    Sie blickte ihn mit stummem Vorwurf an; dann versuchte sie sich zu entschuldigen:
    „Ich wußte nicht, daß du heute Geld erhalten würdest!“
    „Aber, was sie nun von uns denkt!“
    „Daß wir arm sind!“
    „Das ist keine Schande; aber daß wir einen Vorschuß annehmen müssen! Hat sie denn nach unsern Verhältnissen gefragt?“
    „Ja.“
    „Auch nach den Personen?“
    „Ja, nach dir auch.“
    „Hast du gesagt, was ich bin und was ich war?“
    „Gewiß. Hätte ich das nicht tun sollen?“
    „Nein. Weißt du, was diese Dame ist?“
    „Nun, was?“
    „Eine amerikanische Tänzerin. Sie soll morgen abend mit einer Rivalin in die Schranken treten.“
    Erst jetzt begann es in Hilda zu dämmern. Warum war der Bruder gestern so glücklich gewesen? Warum war er heute so traurig darüber, daß sie den Vorschuß angenommen hatte? Sollte Miß Ellen Starton jene Tänzerin sein, von welcher sie in seinem Tagebuch gelesen hatte?
    Wenn sie es war, so konnte Hilda begreifen, wie er es nicht vermocht hatte, ihr Bild aus seiner Seele zu reißen. Sie sah aber auch ein, wie der Vorschuß seinen Mannesstolz verletzen müsse. Sie wollte eben ein Wort der Entschuldigung sagen, da hörte man draußen an die Stubentür klopfen. Hilda ging, um zu öffnen, und ließ die Verbindungstür um eine Lücke offen.
    „Grüß Gott, liebes Kind! Ich komme, um Wort zu halten!“ sagte eine gedämpfte, aber außerordentlich wohlklingende Stimme.
    „Willkommen, gnädiges Fräulein!“ antwortete Hilda. „Wie beschämen Sie mich durch diesen Besuch!“
    „Beschämen? O nein, o nein! Wer ist dieser alte, ehrwürdige Herr?“
    „Mein armer Vater.“
    „Von welchem Sie erzählten? Er schläft. Stören wir ihn ja nicht. Bitte, lassen Sie uns in das Nebenzimmer treten, damit er uns hier nicht sprechen hört!“
    Sie öffnete die Tür. Da lag die kleine, ärmliche Stube, da standen die mit billigem, bunten Kattun überzogenen Betten, und – da lehnte Max an der Wand, bleich wie der Tod und mit gesenktem Auge.
    Der Blick der Amerikanerin leuchtete auf. Doch in ruhigem Ton fragte sie:
    „Ah, ich störe vielleicht. Wer ist dieser Herr?“
    „Mein Bruder, Max Holm, Miß Starton.“
    Ellen verbeugte sich. Max versuchte, diese Verbeugung zu erwidern, konnte aber nicht sagen, ob oder wie ihm dies gelungen sei. Ihr Auge fiel auf seine Hand. Es war, als ob sie zusammenzuckte. Ihrer Stimme aber war nichts anzumerken als sie fragte:
    „Sind Sie verletzt, Herr Holm?“
    „Nein“, antwortete er.
    Und an seiner Stelle fuhr Hilda, welche die ganze Situation begriffen hatte, fort:
    „Eine frühere Wunde wurde falsch geheilt; jetzt ist die Stelle operiert worden.“
    „Sagten Sie nicht, daß Ihr Herr Bruder Reporter sei?“
    „Gestern sagte ich es.“
    „Eine mühevolle Beschäftigung, nicht, Herr Holm?“
    „Das darf ich wohl bestätigen“, antwortete er. „Auch jetzt ruft mich meine Pflicht, so daß ich mich gezwungen sehe, mich Ihnen zu empfehlen.“
    Er griff nach seinem Hut. Hätte er gesehen, mit welcher Teilnahme ihr Blick ihm folgte, so wäre er wohl nicht mit der Bitterkeit fortgegangen, welche sein Herz vergällte.
    „Verloren, verloren!“ murmelte er, als er langsam die Treppe hinabstieg. „Hilda hat keine Ahnung, was für ein Herzeleid sie mir angetan hat.“
    Er schritt hinaus auf die Straße, wohin, das war ihm gleich. Er hatte weder acht auf rechts noch auf links, bis er fast mit einem Passanten zusammenrannte, welcher, ihn beim Arm packend,

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