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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Riesin erschrecken wird, das ist noch zu bezweifeln. Auf eine Gegenwehr müssen wir uns auf jeden Fall gefaßt machen. Also, treffen Sie Ihre Vorbereitungen, Herr Obergendarm! Von jetzt an in einer halben Stunde, bin ich bei der Riesin, und es läßt sich annehmen, daß sie dann nicht zögern wird, hierher zu kommen.“
    Er wollte sich abwenden, wurde aber von dem Staatsanwalt verhindert.
    „Bitte, Durchlaucht“, sagte dieser. „Ich errate, daß Sie die Wartensleben kennen und nur aus gewissen Gründen zögern, uns das zu sagen.“
    Der Fürst nickte nachdenklich mit dem Kopf und antwortete:
    „Ja, Ihre Vermutung ist richtig.“
    „Und ist uns keine Erkundigung erlaubt?“
    „Ich wollte eigentlich noch schweigen. Wann wird die Riesin, wenn sie sich in unserer Gewalt befindet, ihr erstes Verhör bestehen?“
    „Das Gesetz bestimmt, daß das erste Verhör vor Ablauf der ersten vierundzwanzig Stunden, von der Zeit der Arretur an gerechnet, vorgenommen werden muß.“
    „Also spätestens morgen nachmittag?“
    „Die Sache ist interessant; man wird die Gefangenen also wohl bereits am Vormittag vornehmen. Und da es sich hier darum handelt, eine unschuldig Verurteilte der Freiheit zurückzugeben, so möchte ich keine Zeit versäumen und am besten noch heute abend beginnen.“
    „Hm! So ist zu erwarten, daß Sie schon heute von der Riesin hören, wo sich die Wartensleben befindet. Ich werde es Ihnen also lieber sagen, spreche aber vorher einen Wunsch aus, um dessen Erfüllung ich Sie ersuche.“
    „Hoffentlich steht diese Erfüllung in meiner Macht!“
    „Sie brauchen nur zu wollen, so wird es geschehen.“
    „Nun, so will ich.“
    „Ich danke.“
    „Also wo ist die Wartensleben?“
    „Hier in der Residenz.“
    „Vortrefflich; vortrefflich! Sie und die Riesin, alle beide hier! Das ist eine willkommene Erleichterung. Wo wohnt oder wo logiert sie?“
    „Im Hotel Kronprinz.“
    „Sapperment! So fein! Wenn ich nicht irre, logiert die Leda in dem selben Haus.“
    „Nicht nur in dem selben Haus, sondern sogar in den selben Zimmern, Herr Staatsanwalt.“
    „Was Sie sagen! Sollte die Wartensleben bei der Tänzerin in Diensten stehen?“
    „Nein.“
    „Wie kann sie dann bei ihr wohnen?“
    „Sie wohnt in denselben Zimmern und doch nicht bei ihr.“
    „Das verstehe ich nicht.“
    „Kennen Sie die Verhältnisse der Leda?“
    „Nein. Ich weiß nur, daß sie aus Paris kommt und sich in Begleitung ihrer Mutter befindet.“
    „Fällt Ihnen dabei nichts auf?“
    „Was sollte mir da auffallen?“
    „Nun, die Leda ist mit ihrer Mutter, und auch die Wartensleben war mit ihrer Mutter.“
    „Sapperment, Durchlaucht, wollen Sie etwa –“
    Er sprach den Satz nicht aus. Der Fürst nickte ihm zu und meinte: „Bitte, weiter, weiter!“
    „Wollen Sie etwa sagen, daß die Leda mit der Wartensleben identisch sei?“
    „Das ist's, was ich meine.“
    „Unmöglich!“
    „Warum unmöglich?“
    „Die Wartensleben könnte das nicht wagen.“
    „Ich ersehe kein Wagnis.“
    „Sie ist eine Mörderin!“
    „Sie glaubt sich sicher vor Entdeckung.“
    „Es gibt hier Personen, welche sie kennen!“
    „Was tut das? Hunderte von Künstlern und Künstlerinnen nehmen ein Pseudonym an und treten darin doch da auf, wo man ihren eigentlichen Namen kennt.“
    „Aber eine Verbrecherin muß doch eine solche Öffentlichkeit scheuen!“
    „Die Leda ist frech und verwegen.“
    „Aber diese Protektion!“
    „Ist eine große, unverzeihliche Unvorsichtigkeit.“
    „Die Blamage für die Verwaltung unseres Residenztheaters! Sie ist fürchterlich!“
    „Aber sehr verdient. Ich werde Ihnen, Herr Staatsanwalt, morgen meine Gründe vortragen und ersuche Sie heute nur, die Arretur der Leda erst nach der Abendvorstellung vornehmen zu lassen.“
    „Das ist höchst außergewöhnlich.“
    „Meine Gründe werden genügen.“
    „Jedenfalls. Ich bin ja übrigens angewiesen, Ihren Weisungen die möglichste Berücksichtigung entgegenzubringen. Die Wartensleben identisch mit der Tänzerin! Was sagen Sie dazu, meine Herren?“
    Die Gefragten, nämlich der Gerichtsrat, der Obergendarm und der Arzt, waren nicht weniger betroffen wie der Fragende selbst und gaben ihre Überraschung in der lebhaftesten Weise zu erkennen. –
    Unterdessen hatte die Riesin es sich mit ihrer Mutter im Gasthof gemütlich gemacht. Sie hatten gespeist und saßen, von ihren gegen die Leda gerichteten Absichten plaudernd, auf dem Sofa, als an die Tür geklopft

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