64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
machen, Ihnen melden zu können, daß eine Gefahr, welche Ihnen drohte, glücklich vorübergegangen ist.“
„Ich danke Ihnen! Also exponieren Sie sich nicht! Sie tragen Ihre Hand im Verband; Sie müssen sich schonen!“
Ein herzlicher Händedruck, und er ging.
Unten wartete der Wirt auf ihn. Er fragte:
„Also Sie sind überzeugt, daß man die Beraubung der Miß wirklich vorhat?“
„Ja.“
„Wie nahm sie diese Nachricht auf?“
„Mit großer Fassung. Sie war ja vorbereitet.“
„Ist noch niemand gekommen?“
„Nein.“
„Quartieren Sie die Dame schleunigst aus, zur Sicherheit gleich eine Treppe höher. Aber dieser Fremde darf nichts merken. Unterdessen wird die Polizei kommen.“
„Schön, schön! Er soll gar nichts merken; ich werde ihn mit dem Essen so beschäftigen, daß er weder etwas sehen noch etwas hören soll. Weiß die Miß, daß sie andere Zimmer erhält?“
„Ja. In fünf Minuten ist sie bereit. Aber instruieren Sie Ihr Personal. Es muß alles so unauffällig wie möglich geschehen.“
„Ganz wie Sie befehlen! Aber, bitte, darf ich vielleicht Ihren Namen erfahren?“
„Doktor Holm. So haben Sie mich ja anmelden lassen.“
„Ja, ja! Daran dachte ich nicht. Ich bin so erregt, daß ich selbst das bereits vergessen habe. Es steht für mich ja soviel auf dem Spiel. Der Ruf meines Hauses –!“
„Wird nur gewinnen, wenn man hört, daß es hier selbst dem schlauesten, raffiniertesten Menschen nicht möglich ist, ein Verbrechen zur Ausführung zu bringen. Eilen Sie jetzt.“
Als der Wirt aus dem Zimmer hinaus in den Flur trat, hielt eine Droschke vor der Tür. Er trat unter den Eingang und sah, daß neben dem Kutscher ein großer Reisekorb befestigt war. Zwei Damen und zwei Herren stiegen aus. Der eine Herr fragte:
„Das ist hier Hotel Union?“
„Ja, mein Herr.“
„Können wir beide mit unseren Frauen hier wohnen?“
„Gewiß; nur liegen die Familienzimmer zwei Treppen hoch.“
„Das geniert uns nicht. Komm, Emilie; komm, Henriette!“
Dieser Herr hatte das mit sehr lauter Stimme gesprochen. Die vier traten in das Haus. Und jetzt fragte dieser Herr:
„Haben Sie unten einstweilen eine Stube, in welcher sich jetzt keine Gäste befinden?“
„Mein eigenes Wohnzimmer.“
„Schön! Führen Sie uns hin. Befindet sich Herr Doktor Holm im Gastzimmer?“
„Ja“, antwortete der Wirt erstaunt.
Der fremde Herr öffnete die Tür und gab Holm einen Wink, welcher sofort befolgt wurde. Sie traten alle in das Zimmer, und nun bemerkte der Wirt, als die beiden Damen sich entschleierten, daß sie tüchtige Schnurrbärte hatten.
Der, welcher bisher gesprochen hatte, sagte lachend:
„Herr Wirt, erlauben Sie, daß wir uns Ihnen vorstellen! Ich bin der Fürst von Befour, allerdings in einer Kleidung, welche ich für gewöhnlich nicht zu tragen pflege –“
„Welche Ehre, welche Ehre!“ stammelte der Hotelbesitzer, indem er sich tief verneigte.
„Dieser andere Herr ist der Herr Assessor von Schubert, Amtsanwalt hier in der Residenz.“
„Habe die Ehre, habe die Ehre!“
„Kennen Sie diese bärtige Dame?“
„Nein, habe die Ehre noch nicht gehabt.“
„O doch! Es ist Herr Leonhardt, welcher bereits das Vergnügen hatte, als Diener Miß Startons bei Ihnen zu wohnen.“
„Sapperment!“ entfuhr es dem Wirte. „Das ist ja ein ganz anderes Gesicht!“
„Aber doch derselbe Mann. Und diese andere Dame ist ein Kollege von ihm. Wir erfuhren, daß draußen auf der Straße ein Aufpasser steht; darum wählten wir für diese beiden Herren Frauenüberkleider, damit wir nicht etwa Verdacht erregten. Wollen hier ablegen!“
Die beiden Polizisten Adolf und Anton nahmen ihre Damenhüte ab und zogen ihre Damenmäntel aus und zeigten sich nun in ihrer Männerkleidung.
„Jetzt, Herr Doktor, erzählen Sie vor allen Dingen“, wendete sich der Fürst an Holm.
„Hat der Musikus nicht genau berichtet?“ fragte dieser.
„Doch, aber ich möchte es auch von Ihnen hören.“
„Erlauben Sie zunächst, daß der Wirt meiner Weisung folgt. Miß Starton muß schnell ausquartiert werden.“
„Natürlich! Das mag geschehen, während wir uns hier instruieren. Gehen Sie, also!“
Der Wirt entfernte sich. Der Zimmerkellner war eben bereit, dem verdächtigen Fremden das Essen zu servieren.
Die Tänzerin erhielt mit ihrer kleinen Negerin andere Zimmer angewiesen und nahm ihre sämtlichen Effekten mit nach oben. Als der Wirt dann in seine Wohnstube zurückkehrte, sagte der Fürst
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