64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Vater war Schnitzer, er kam auf den klugen Gedanken, auszuwandern. Drüben ging sein Geschäft gut, von Jahr zu Jahr besser. Ich wuchs mit der Zeit heran, hatte aber keine Lust zum Holzschnitzen. Ich ging in die Welt, wurde dieses und jenes, zuletzt gar Goldsucher –“
„Ah! Waren Sie glücklich?“
Diese Frage war etwas zu unvorsichtig schnell ausgesprochen. Dem Amerikaner fiel dies nicht auf. Er antwortete:
„Oh, lange Zeit nicht.“
„Endlich aber doch?“
„Ja, endlich!“
„Wohl in Kalifornien?“
„O nein. Die Blütezeit für die Goldsucherei war für Kalifornien bereits vorbei. Ich ging weiter nach Süden, nach den Grenzländern von Texas und Mexico.“
„Und dort waren Sie glücklich?“
„Ja. Ich fand eine Bonanza.“
„Was ist das?“
„Das ist ein spanischer Goldsucherausdruck, den ich Ihnen erklären will. Wissen Sie, wer der fleißigste und auch glücklichste Goldsucher ist?“
„Nun?“
„Das Wasser.“
„Wieso?“
„Da, wo das edle Metall sich findet, wird es von dem Wasser, welches die leichte Erde fortwäscht, bloßgelegt, oft zu großen Klumpen. Nach und nach wird es aus seinem Halt gerissen und von dem Wasser fortgespült. Wenn nun im Bett eines Wildbachs oder, sagen wir vielmehr Goldbachs, eine Stelle kommt, welche aus lockerem, tiefgründigem Sand besteht, so wird dieser Sand ausgewaschen und fortgeschlemmt. Da, wo sich der Sand befunden hat, entsteht also ein großes Loch unter dem Wasser, eine Vertiefung, in welche alles Schwere, was von dem Wasser herbei gebracht wird, hinabfällt.“
„Ah, ich verstehe!“
„Auf diese Weise entstehen in diesen Bächen tiefe Löcher, in welche seit Jahrhunderten das Gold hinabgespült worden ist. Wer nun so ein Loch findet, der ist ein gemachter Mann.“
„So ein Loch heißt also Bonanza?“
„Ja.“
„War die Ausbeute reich?“
„Ich bin zufrieden! Als ich den Bach ableitete, bemerkte ich zu meinem freudigen Schreck, daß sich mehrere solche Bonanzas nebeneinander befanden.“
„Sie glücklicher Mann!“
„Ja, ich war mit einem Schlag steinreich. Als ich dann nach Hause kam, war indessen der Vater gestorben. Ich verkaufte sein Geschäft, welches mir sehr gut bezahlt wurde, und beschloß, in die alte Heimat zu gehen.“
„Vielleicht, um sich hier anzukaufen?“
„Ja. Zu einem Rittergütchen wird es langen, vielleicht auch zu dreien, vieren oder fünfen.“
Er blickte dabei seelenvergnügt über die vor ihm liegenden Bergkuppen hinaus, als ob er bereits die Rittergüter sehe, welche zu kaufen in seiner Absicht lag. Deshalb bemerkte er es nicht, daß das Auge des Barons verlangend aufleuchtete und forschend an seiner Gestalt herniederfuhr. Es war, als ob der Baron ergründen wolle, ob er mit diesem fremden Mann einen Kampf auf Leben und Tod um sein Vermögen aufnehmen könne.
„Da müssen Sie aber doch wohl Ihr ganzes Vermögen flüssiggemacht haben?“ fragte er dann in dem gleichgültigsten Ton, welcher ihm möglich war.
„Natürlich.“
„Hoffentlich sind Sie aber doch so klug, es nicht bei sich zu tragen, Herr Weber?“
Der Gefragte blickte ihn lachend an und antwortete:
„Wäre das denn unklug?“
„Man weiß ja nie, was geschehen kann!“
„Ah, was soll geschehen?“
„Sie sprachen vorhin von dem Hauptmann, welchen man sucht.“
„Soll ich mich etwa vor ihm fürchten?“
„Hm!“
„Pah! Erstens steht doch nicht zu erwarten, daß er niemandem als gerade mir begegnen werde. Zweitens würde ich ihm auch gar nicht sagen, ob ich Geld bei mir habe. Und endlich, drittens fragte es sich sehr, ob ich mich vor ihm fürchten würde. Ich bin bewaffnet.“
Er griff in die Tasche und zog einen geladenen Revolver hervor, welchen er dem Baron zeigte. Diesem letzteren entfuhr in der inneren Aufregung, in welcher er sich befand, die mehr als unvorsichtige Frage:
„Aber, wenn nun ich der Hauptmann wäre?“
Der Amerikaner warf ihm einen belustigten Blick zu und antwortete lachend:
„Sie Spaßvogel!“
„Nun, wäre das etwa unmöglich?“
„Ja, absolut!“
„Wieso?“
„Sie können der Hauptmann nicht sein.“
„Sagen Sie mir doch den Grund!“
„Der Hauptmann ist doch von Adel, er ist Baron?“
„Ja.“
„Nun, nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sehen erstens nicht aus wie so ein berüchtigter Spitzbube, und zweitens haben Sie auch gar nichts Adeliges an sich.“
„Sehr verbunden für das Kompliment!“
„O bitte! Eigentlich ist es allerdings ein Kompliment, daß ich Sie
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