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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich jetzt mit dir einen Umweg, um dich einmal ins Examen zu nehmen.“
    „Das wird vergeblich sein.“
    „Ich denke nicht. Meinst du denn, daß ich gar nichts sehe und gar nichts ahne? Denkst du, weil du es verschweigst, könne ich es nicht wissen?“
    „Was soll ich verschweigen? Was willst du wissen?“
    „Daß auch du deine Wünsche hast.“
    „Oh, die hat wohl jedes junge Mädchen!“
    „Ich meine ganz bestimmte Wünsche.“
    „Davon weiß ich nichts.“
    „Leugne nicht. Deine Wünsche sind denen, die ich hatte, außerordentlich ähnlich; sie beziehen sich auf die Polizei.“
    „Anna!“
    „Habe ich recht?“
    „Nein.“
    „O doch! Weiß du, wer heute mitkommen wird?“
    „Nun?“
    „Adolf, der Freund meines Verlobten.“
    Emilie errötete und hielt unwillkürlich den Schritt an.
    „Da möchte ich lieber nicht mitgehen“, sagte sie.
    „Warum nicht?“
    „Ich, ich – ach, Anna, ich wollte lieber, er käme nicht!“
    „Du bist eine kleine Törin. Sei doch einmal aufrichtig, und gestehe mir, daß du ihm gut bist!“
    „Was nützt es mir? Er verachtet mich doch!“
    „Verachten? Warum?“
    „Wegen damals im Theater. Ich habe es dir noch nicht gesagt. Als wir noch in der hohen Straße wohnten, wohnte er uns gegenüber. Wir konnten einander in die Fenster sehen, und er stand so oft am Fenster, daß –“
    Sie stockte, und Anna ergänzte lachend:
    „Daß auch du dich an euer Fenster stelltest!“
    „Nein, das wollte ich nicht sagen. Aber ich mußte doch annehmen, daß er ein Interesse für mich hatte. Er grüßte später und nickte herüber. Ich grüßte natürlich wieder, da ich nicht unhöflich sein wollte –“
    „Und weil du ihm gut warst!“
    „Auch deshalb. Ich will es gestehen. So ging es mehrere Monate, ohne daß wir ein Wort miteinander gesprochen hätten. Eines Abends war ich im Theater gewesen. Am Schluß desselben sah er mich. Er hatte Dienst im Theater gehabt und war nun frei. Aus Versehen übersah ich auf der Treppe eine Stufe und –“
    „Aus Versehen? Kind, du übersahst eine Stufe, weil du die Augen nicht auf der Treppe, sondern auf ihm hattest!“
    „Vielleicht, ja. Kurz und gut, ich wäre gestürzt, wenn er mich nicht festgehalten hätte.“
    „So nahe war er dir?“
    „Ja, aber ganz gewiß nur zufällig.“
    „Oh, das kennt man. Weiter!“
    „Er blieb an meiner Seite, bis ich auf der Straße war, und dort fragte er, ob ich nach Hause gehe. Ich bejahte natürlich, und da er uns gegenüber wohnte, so hatte er denselben Weg. Darum fragte er, ob er mich begleiten dürfe.“
    „Du sagtest natürlich nein!“ scherzte Anna.
    „Ich wollte es sagen, brachte es aber doch nicht fertig. Er fragte so bescheiden, und ich wollte ihm nicht weh tun. Also kam es, daß er mit mir ging.“
    „Ihr gingt natürlich sehr weit auseinander!“
    „Du bist heute glücklich und also zum Scherz aufgelegt. Wir gingen nebeneinander und unterhielten uns über das gegebene Stück. Er hatte so gute Ansichten; er war so ernst, so – so – ich weiß gar nicht, wie ich sagen soll; kurz und gut, man mußte ihm gut sein und Vertrauen zu ihm haben, und da weiß ich gar nicht, wie es kam, daß er auf einmal meinen Arm in den seinigen genommen hatte.“
    „Aha! Jetzt kommt die Liebeserklärung!“
    „O nein. Wir sprachen von vielen, aber nur von solchen Dingen nicht, und als wir meine Haustür erreichten, nahm er Abschied und ging.“
    „War der Abschied nicht etwa zärtlich?“
    „Nein. Was du denkst! Ich dankte ihm, und da allerdings sagte er – da sagte er –“
    „Na, was denn?“
    „Daß er sehr gern mit mir gegangen sei und daß er sehr gern auch noch weitergehen möchte und immer weiter, durch das ganz Leben.“
    „Ah, also doch Liebeserklärung.“
    „Oh nein! Das war doch wohl nur eine Höflichkeit!“
    „Meinst du? Ein so ernster und gesetzter Mann, wie Adolf ist, sagt so etwas nicht als bloße Höflichkeit, darauf kannst du dich verlasen. Hat er dich nicht gefragt, ob er dich irgendwo und irgendwann wieder treffen dürfte?“
    „Nein, sonst hätte ich doch am Ende gedacht, daß er mir ein bißchen gut sei. Er gab mir, als er die erwähnten Worte sagte, die Hand und ging.“
    „Und ihr habt euch dann nicht wieder getroffen als nur später bei mir?“
    „Ja.“
    „Das begreife ich nicht.“
    „Aber ich begreife es. Nämlich ich wurde kurze Zeit darauf gezwungen, aufzutreten. Ich habe dir ja davon erzählt. Besinnst du dich?“
    „Ja. Es muß ein schrecklicher Abend

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