65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
aneinander. Es summte und brummte ihm um die Ohren, und im Magen war es ihm, als ob die Seekrankheit im Anzug sei.
Da klopfte einer an das Glas; er wollte einen Toast bringen. Schnell aber klopfte, seinem Versprechen gemäß, auch der Lehrer, stand auf und sagte:
„Geehrte Damen und Herren, nachdem wir das liebe Brautpaar und deren Eltern haben leben lassen, ist es an der Zeit, auch einen Toast auf unsere Frauen auszubringen. Schiller sagt ja, daß wir sie ehren sollen, weil sie uns himmlische Rosen ins irdische Leben weben. Sie verdienen es, daß wir jetzt gleich drittens ihrer gedenken, und ich kenne unter uns keinen, der es so verstände, das Glück, welches wir ihnen verdanken, zu beschreiben, wie unser hochverehrter Herr Förster Wunderlich. Er hat mir zugesagt, diesen Toast auszubringen. Er wird jetzt sprechen, und ich bitte die Herrschaften um andächtiges Schweigen und ungeteilte Aufmerksamkeit!“
Es entstand eine Stille wie in der Kirche. Aller Augen richteten sich auf Wunderlich, und bei diesem Schweigen vernahm man ganz deutlich die Frage seiner Frau:
„Du einen Toast, Alter?“
„Ja“, stieß er hervor.
„Na, das wird eine schöne Bescherung!“
„Ja“, lamentierte er halblaut, „es flimmert mir schon vor den Augen. Die Zähne klappern wie bei fünfzig Grad Reaumur. Gott sei mir gnädig.“
„Laß es sein!“
„Das geht nicht. Ich habe einmal A gesagt!“
Er hatte recht, denn da er sich nicht gleich erhob, so rief es ringsum:
„Der Förster einen Toast! Vater Wunderlich will reden. Anfangen, anfangen! Wann geht es los?“
Da stand er vom Stuhl auf. Er war blaß wie ein Gestorbener. Er murmelte erst etwas wie ein Stoßgebet, das ein Ertrinkender noch hervorgurgelt, dann begann er:
„Wie jede Rose ihre Dornen trägt,
Hat auch die Ehe ihre stillen Leiden.
Die eine kratzt und beißt; die and're schlägt;
Die Dritte schmollt; die Vierte spricht vom Scheiden.“
Er wurde unterbrochen. Frau Barbara nämlich holte tief Atem und rief im Ton der Erleichterung:
„Kratzt und beißt! Ah! Also ein Toast Alter?“
„Ja“, antwortete er.
„Du warst nicht verrückt?“
„Gott bewahre!“
„Na, dem Himmel sei Lob und Dank! Nun ist alles gut! Ich hatte jetzt vor dem Toast Angst; das ist aber vorbei. Rede nur weiter. Wenn du auch stecken bleibst! Das hat nichts zu sagen. Wir sind ja unter uns!“
Das machte ihm Mut. Er fand auf einmal seine ganze Fassung wieder und fing von vorn an:
„Also – wie jede Rose ihre Dornen trägt,
Hat auch die Ehe ihre stillen Leiden.
Die eine kratzt und beißt; die and're schlägt;
Die Dritte schmollt; die Vierte spricht vom Scheiden.
Der Fünften brennt der Braten immer an;
Die Sechste kann den Tabak nicht erriechen.“
„Aha!“ fiel die Försterin ein. „Ich dachte, damit wäre ich gemeint, Alter!“
„Unsinn! Unterbrich mich nicht! Ich komme sonst ganz aus der Schnurre!“
„Hat nichts zu sagen! Du fängst von vorne an!“
„Das geht nicht, denn da geht der ganze Eindruck eines so schönen Gedichts verloren. Also weiter:
Der Fünften brennt der Braten immer an;
Die Sechste kann den Tabak nicht erriechen;
Die Sieben zankt und keift, daß sich der Mann
Vor Angst möcht' unter's Kanapee verkriechen.
Die Achte tritt die Schuhe alle schief;
Die Neunten macht das Scheuern nur Entzücken;
Die Zehnte greift ins Portemonnaie zu tief;
Die Elf kann keinen Hosenknopf anflicken.“
Da lachte Engelchen, die Braut, laut auf und sagte:
„Also das war es, was ich unterwegs zu hören bekam? Das hilft zum Pantoffelregiment?“
„Ja“, lachte auch er, und dann fuhr er fort:
„Die Zwölfte leidet an dem bösen Blick;
Die Dreizehnte zerdeppert alle Flaschen;
Die Vierzehnte hat niemals das Geschick,
Wenn sie was beißt, geschwind den Floh zu haschen.“
„Na, na, na“, warnte lächelnd der Pastor.
„Ach was!“ erklang es. „Wir sind ja unter uns. Nur immer weiter!“
Wunderlich fühlte von seiner Seekrankheit nicht das Geringste mehr. Er sprach weiter:
„Die Fünfzehnte schnarcht viel zu laut im Schlaf,
Die Sechzehn macht dem Mann zu viele Lügen,
Die Siebzehn ist ein altes, gutes Schaf,
Doch heimlich schnupft sie Tabak mit Vergnügen.
Die Achtzehnte ist allen Männern gut,
Die Neunzehn schnattert gern mit alten Schicksen.“
„Jetzt kommt's! Jetzt ist's da!“ rief Frau Barbara. „Das also war es! Weiter, Alter!“
Er flüsterte ihr leise zu:
„Nun halte endlich den Schnabel, sonst bringst du mich noch aus der Reihe!“
Und laut fuhr er
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