66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
angekommen, umschlich der Fex zunächst das Haus, um sich zu vergewissern, daß kein Lauscher vorhanden sei; dann stieg er auf Sepps Schultern und schwang sich hinauf. Sepp sah, daß er im offenen Fenster verschwand.
Nach wenigen Augenblicken leuchtete ein Licht oben auf. Nach einiger Zeit verlöschte es, und der Fex kam wieder heraus auf die Veranda gestiegen.
„Fang die Vigolinen auf und die Noten!“ flüsterte er von oben herab.
Der Wurzelsepp tat dies und sagte dann, als der Fex leise herabgestiegen war und nun neben ihm stand:
„Was fällt dir ein, du Sapperlotern du! Was hast ein Licht anzubrennen!“
„Ich muß doch Licht haben, wann ich die richtigen Noten finden will.“
„Aber du konntest erwischt werden!“
„Nein. Die Tür zu der Schlafstuben war zu. Jetzt aber komm, daß wir uns weitermachen! Ich kann's kaum erwarten, auf dieser Geigen zu spielen.“
Sie gingen und verschwanden nach kurzer Zeit unter dem Grab der Zigeunerin. Ein Glück für sie, daß der Italiener gleich nach seiner Heimkunft schlafen gegangen war.
Wenn jetzt nun jemand in der Nähe des Grabfelsens gekommen wäre, so hätte er noch ganz andere Töne und Weisen gehört als diejenigen, denen vorhin der König mit Wagner und dem Konzertmeister gelauscht hatten. Später, als der Mond untergegangen war und der Morgen bald graute, schlichen sich die beiden Freunde wieder zur Villa, um die Violine zurückzubringen.
FÜNFTES KAPITEL
Schalksstreiche
Es war schon spät am andern Morgen, da kam der Wurzelsepp langsam auf die Mühle zugegangen. Er trat in den für Gäste bestimmten Vorgarten und setzte sich wie gestern an einen der Tische.
Eine Magd war beschäftigt, Unkraut zu jäten. Sie war eine übergroße, breitschultrige Gestalt. Wenn sie zur Zeit des preußischen Soldatenkönigs gelebt hätte und von diesem gesehen worden wäre, so hätte dieser sich ganz gewiß sofort ihrer bemächtigt, um sie einem seiner Riesengardisten zur Frau zu geben.
Ihre Züge waren grob wie ihre ganze Gestalt und ihre Bewegungen eckig und massig. Sie hatte den Alten kommen sehen, nahm sich aber nicht die Mühe, zu grüßen. Ihr Charakter erlaubte ihr selbst diese einfache Höflichkeit nicht.
„Nun, Käthe“, sagte er, „siehst mich nicht?“
Sie antwortete nicht, und so fuhr er fort:
„Ja, ich glaub's gar wohl, so eine gar Schöne und Jugendliche wie du mag so einen alten Knaxer, wie ich bin, gar nicht anschaun. Könntest dich sonst an mir vergaffen und dann bald auch so einen Schnurrbarten bekommen, wie ich einen hab.“
Da fuhr sie aus ihrer gebückten Stellung schnell empor. Er hatte sie bei ihrer verwundbarsten Seite angegriffen, denn die schöne Käthe besaß bereits einen ganz respektablen Haarwuchs unter der Nase. Ihr Gesicht glühte vor Zorn, als sie sich nun hören ließ.
„Was sagst? Was meinst? Einen Schnurrwichsen hätt ich im Gesicht?“
„Nein, das hab ich nicht gesagt; ich hab nur gemeint, daß du dir an mir einen verschaun könntest.“
„Das versteh ich halt schon, wie du's meinst! So ein alter Gänsrichbraten, der gar nimmer weich wird, sollt sich um sein selig End kümmern, aber nicht um andre Leut! Dich kenn ich auch schon gut! Du bist wie der Ameis, der auch gleich beißt, wo er hinkommt. Für uns beid, für dich und mich, wär's auch am besten, wann eins davon vom Teufel geholt würd; da kam ich allerwegen gleich in den Himmeln.“
„Ja, du! Dich, wann du dann ein Engelein wärst, möcht ich singen und trompeten hören. Das möcht auch klingen grad wie ein Dudelsacken, wann in demselbigen die Ratten ihre Jungen füttern. Warum kannst denn nicht fein höflich grüßen, wann ein Gast kommt, der ein Geldl hier verzehren will?“
„Du? Ein Gast, der eine Zechen machen will? Du wärst auch der Richtige dazu! Du kaufst dir für zwei Pfennige ein Bier und nachher für drei Pfennige ein feins Mittagessen; aber warm muß es sein, und drei Gänge muß es haben oder gar vier. Wann du dich auf den Kopf stellst und die Bein gen Himmel streckst, so fällt dir kein Groschen aus der Taschen. So ist's, und nun weißt's!“
„Himmelsakra, hast du ein Schneid und ein Maulwerk! Ich will dich grad nicht beschrein, aber wann die Russen kommen und die Franzosen, so kannst ganz allein das Deutschland retten. Brauchst bloß dein Plappermaul in Gang zu setzen, so reißen die Kosaken aus und die Zuaven und Turkikos bis hinauf ins Sibirium hinein. Jetzt aber nun wisch dir die kleinen Patscherln ab und geh hinein. Ich brauch ein Bier
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