66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
mir anbefohlen, daß ich richtig grob mir dir sein soll!“
„Das ist eine gradezu klassische Aufrichtigkeit!“
Die Käthe hatte das Wort klassisch noch niemals gehört; aber da sie nach den gegebenen Verhältnissen annehmen wollt, daß es eine Beleidigung bedeute, antwortete sie in ihrem schnippischsten Ton: „Ja, die Dicke ist auch klasserisch!“
„Wer?“
„Die Dicke drüben!“
„Ich versteh dich nicht.“
„Nun, die Sängerin.“
„Ach so! Sie ist vorhin angekommen. Wir sahen die Equipage vorüberfahren. Kommst du ihretwegen?“
„Ja. Der Müllern läßt euch sagen, daß sie sogleich wieder hinaus muß. Und wann ihr das nicht wollt, so wirft er sie zum Fenster hinaus und euch beid auch dazu. Habt ihr's gehört?“
Jetzt konnte sich der König nicht länger halten; er brach in ein herzliches Lachen aus, und Wagner stimmte natürlich mit ein. Das erboste die Magd. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und rief:
„Was habt's zu feixen und zu kicherieren? Meint ihr etwa, ich mach Späßen mit euch? Mit solchen Leutln fällt mir das schon gar nicht ein. Da seid ihr mir zu dumm dazu! Ich werd mir aberst schon Respekt verschaffen. Ich bin die Käth! Verstanden?“
„Ah! Die Käth bist du?“ meinte Wagner in gewaltsam erzwungenem Ernst. „Das ist etwas ganz anderes. Ja, da haben wir freilich Respekt.“
„Ja endlich! Das will ich mir auch verbitten! Mit solchem Gezeug muß man eben ernsthaft reden, sonst kommt man gar nimmer durch. Das kenn ich schon bereits. Das Stadtvolk hat Mucken im Kopf; aber wir sind auch noch auf der Welt.“
„Das seh ich, und das hör ich auch. Aber sag mir doch einmal, warum die Sängerin so schnell wieder fort soll?“
„Weil s' eine unbändige Sakrifaxen ist, eine Teufelin, mit der's kein Mensch aushalten kann.“
„So bist du wohl ein Engel gegen sie?“
„Ja, der reine Erzengel.“
„Hm! Unbegreiflich! Woher wißt ihr denn bereits, daß sie ein solcher Ausbund ist?“
„Weil sie sofort angefangen hat, als sie hier ankommen tat. Sie wollt gleich ihre Sachen haben, und die waren nicht da. Nachher haben wir sie fast gar nimmer aus der Kutschen herausbracht. Und als sie dann dastand, da hat sie nur so gepiebt und gebebt vor Zorn und Ärger. Nachher brachten wir sie kaum zur Treppen hinauf. Ich hab ziehen müssen und zwei Knecht schieben. Als wir oben ankommen sind, hat sie keinen Atem gehabt und kaum giebsen könnt. Da hat sie sich auf den Stuhl gesetzt, welcher unter ihr zerbrochen ist, so daß sie in der Stuben gesessen hat, auf ihrem eignen Schinken, Speck und Fetten. Das hat ein Zedrio geben, bis wir sie aufgewunden haben mit großer Not und vielem Schweiß. Und als wir sie aufs Kanapee geschafft haben; sind allsogleich die Spannfedern zerbrochen. Nun, jetzt hat sie das Fenstern aufgemacht und den Kopf herausgesteckt und schimpfiert von oben herab wie ein Rohrspatzen oder gar wie der alte Dessauern dazumal. Meint ihr, daß wir das zu leiden haben? Nein, sie muß fort, und das auf der Stell, sonst fassen wir sie an und tragen s' hinüber in den Fluß, da mag sie schwimmen, wohin s' will, meinswegen immer fort bis Dingsdum und noch weiter hin!“
„Das klingt sonderbar. Du sprichst doch von der Sängerin, welche Signora Mureni heißt?“
„Von wem denn sonst? Hast keine Ohren!“
„Und die ist so dick und schwer, daß sie von drei Personen über die Treppe geschafft werden mußte, und daß dann der Stuhl unter ihr zerbrochen ist?“
„So dick wie eine Ausstellungssauen!“
Da platzte Wagner los. Er konnte das Gelächter nicht zurückhalten und der König ebensowenig. Die Magd aber schrie im höchsten Zorn:
„Wann ihr Dummrianer weiter nix wollt, als nur lachen, so könnt ihr mich rundherum pfeifen! Ich geh!“
Wagner stieß mit größter Mühe den Bescheid hervor:
„So sag dem Müller, daß wir die Sache besorgen werden!“
Sie fuhr zur Tür hinaus. Draußen stand der Konzert- und der Kapellmeister. Ersterer hatte soeben angeklopft, und so stieß ihm die Magd die Tür mit aller Gewalt an den Kopf.
„Auch wieder so ein Unnutz und Galgenstrickerl!“ rief sie. „Pack dich hinein; da kannst mitfeixen und Gesichtern schneiden um die Wetten! Ihr paßt doch allesamt zusammen und keiner taugt was.“
Sie stürmte fort. Der Italiener blieb, sich den Kopf haltend, mit seinem Gefährten unter der geöffneten Tür stehen. Beide waren nicht wenig überrascht, den berühmten Komponisten und den sonst so ernsten, ja oft sogar düsteren Monarchen
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