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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wackelt mit dem Kopf
Und schneidet Gurkensalat.“
    Er blickte ihr ganz erstaunt ins Gesicht und fragte dabei:
    „Das ßein Kesang? Das ßein Jodler?“
    „Ja, freilich! Hör nur weiter:
    Da drüben und da draußen,
Wo der Finkerl so singt,
Da tanzt unser Küster
Daß der Hut runterspringt.“
    Sie hatte jetzt womöglich noch schrecklicher gesungen als vorher. Er hielt sich die Hände an die Ohren, strampelte mit den Füßen und rief:
    „Halt, halt! Das ßein kein Kesang! Du haben anfangt in Es-Dur und aufhören in gis-Moll. Das zerreißen einem die Ohr aller beiden!“
    „So hast kein ordentlich musikalisches Gehören! Kann etwa jemand schöner jodeln als jetzt:
    ‚Da drüben und da draußen,
In das Welschland hinein,
Da gibt's so viele Flöh,
Und da möcht ich nicht sein.
Judirullilla! Juch, juch!‘“
    Jetzt ärgerte ihn sogar außer den Tönen auch der Text. Er ballte zornig die Faust und sagte:
    „Was kibt's in Welschland, in Italia? Flöhen? Das sein eine Lükenhaftigkeit! Wir haben keine Flöhen, pulci! Du ßelber haben wohl die Flöhen! Du ßelber ßein ein Floh! Du haben eine Sstimm wie ein Floh; du ßingen wie ein Floh, und du mit Worten stechen wie ein Floh! Du hast jetzt anfangen in g-Moll und aufhalten in kar kein Tonarten. Du ßingen wie ein zerbrochenen Glas. Dein Geßang klingen wie ein Schnabel von Klarinette, wenn steckt er in ein Maul von die Affen. Ich niks mehr hören!“
    „Was?“ antwortete sie scheinbar zornig. „Du schimpfst mich und willst mich tadeln! Du verstehst gar nix davon! Du willst ein Musikus sein und kannst nicht mal eine Noten von einer Pausen unterscheiden! Da hör doch gleich mal!“
    Und in ohrenzerreißender Weise sang sie:
    „Da drüben und da draußen,
Da ist's so der Brauch,
Und wannst's wirklich besser kannst,
So jodl doch mal auch!
Judirullilla! Juch, juch!“
    „O welk ein Unklük, welk einen Qual!“ rief er aus. „Das reißen mir die Kedärm aus die Leib und die Sseel aus das Bauch! Du ßein so ein schön Mädchen und hast ßo ein häßlicher Kehlköpfen! Man kann mir in dir verlieben und doch dich schlagen tot, ßobald du anfangen ßu ßingen.“
    „Nun, so sing doch also selber mal!“
    „Ich haben ein Geigen, aber kein Stimmen; ich nicht singen, ßondern spielen Violin!“
    Dabei zeigte er mit dem rechten über den linken Arm hinweg. Leni aber rief:
    „Schimpfen kannst also, aber besser machen kannst nix. Das will ich dir gleich vorsingen:
    ‚Da drüben und da draußen,
Tut mancher gar groß,
Und wann er auch Konzertmeister ist,
So hat er doch nix los!
Judirullilla! Juch, juch.‘“
    Jetzt hatte sie sich die größte Müh gegeben, alle möglichen Untöne hören zu lassen, so daß er sich umdrehte und davonlief. Sie aber sprang ihm nach, faßte ihn, den kleinen, dünnen Kerl, um den Leib und wirbelte sich tanzend mit ihm auf der staubigen Straße herum, daß sie sich in einer förmlichen dicken Wolke befanden. Dazu krähte sie mit weithin schallenden Fisteltönen das ‚Judirullilla‘ und ließ dann bei dem zweiten ‚Juch‘ den atemlos keuchenden Mann so plötzlich los, daß er eine weite Lerche schoß und drüben sich höchst unfreiwillig auf ein frisch gedüngtes Ackerfeld niederließ.
    Dann rannte sie fort, sich weder um ihn noch um den Sepp kümmernd. Sie hatte von weitem die Mühle blicken sehen und ahnte sehr leicht, daß diese Gebäude das Ziel ihrer Wanderung seien.
    Der Italiener saß mitten im Feld, stöhnte laut und befühlte seine Gliedmaßen, ob dieselben keinen Schaden gelitten hatten. Der Sepp aber stand dabei und lachte, daß ihm die Tränen aus den Augen traten.
    „O Unklüken, o Jammer und Elenden!“ rief der Kleine. „Erst mir zerreißen den Ohren mit Jodler, nachher tanzen und dann werfen dahin wo ßtinken vor Mist, bovina, pastura! Und da lacken dazu wie ein Esel, asino, ciuco, miccia!“
    „Ja, ein sakrisch Dirndl ist's! Nicht wahr; sie kann jodeln wie eine und tanzen, und Gewalt hat's auch in den Armen! Sie hat dich schön herumgerissen! Das war doch zu köstlich! Ja, die Leni, die Leni!“
    „Das ik will mir verbitten!“
    „Nun, gefallt sie dir nicht? Ist sie nicht ein schönes Dirndl, ein bildsaubers Weibsbild?“
    „Ja, schön, ßehr schön!“
    „Na also! Aber steh doch auf!“
    „Ik sehen wolen, ob ik auk kann.“
    Er rappelte sich langsam auf und versuchte zu gehen. Als er bemerkte, daß es ging und daß er unbeschädigt sei, heiterte sich sein Gesicht auf. Er klopfte sich den Schmutz aus den Kleidern, wobei

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