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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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folgte dann langsam nach.
    Als sie an die Stelle kam, an welcher die Fähre lag, befand sich kein Mensch bei derselben. Sie schlich sich im Schatten der Büsche nach dem Felsen hinüber und stand da sehr bald vor Anton, welcher ihr Kommen beobachtet hatte.
    „Bist auch sehr langsam“, klagte er.
    „Ich hab nicht eher könnt!“
    „Wann ich's dir nicht versprochen gehabt hätt, so war ich längst wieder fort. Es sind doch fast zwei Stunden vergangen, seit ich hier bin.“
    „So mußt verzeihen. Oder hast so notwendig zu tun heut noch?“
    „Gar nicht. Aber hier ist ein Ort, wo's einem kann unheimlich werden.“
    „Warum?“
    „Da oben auf dem Stein ist ein Grab.“
    „Warst oben?“
    „Ja.“
    „Ich hab nicht gewußt, daß du dich vor einem Grab fürchtest.“
    „Ich hab mich niemals gefürchtet und auch heut noch nicht. Aber es ist mir so gewesen, als ob hier herum etwas Lebendiges sei, was man aber nicht sehen und nicht derwischen kann. Es hat so um mich her geschlichen wie Gespenstern.“
    „Es wird ein Eidechsen gewesen sein.“
    „Oh, denen Eidechsern kenn ich schon. Wann man so viele Nächten lang im Freien gelegen ist wie ich, so weiß man ein jeds Geräusch von dem andern zu unterscheiden. Das, was ich hier gehört hab, das sind Menschen gewesen. Laß uns wenigstens hinauf ans Grab steigen. Dort kann man alles überschaun, und niemand kann einen belauschen.“
    Er hatte recht gehabt. Was er gehört hatte, das waren die schleichenden Schritte des Sepp und des Fex gewesen, welche sich in ihren unterirdischen Aufenthalt begeben hatten. Er hatte sie wohl gehört aber nicht gesehen und auch sie hatten ihn nicht bemerkt.
    Leni kannte keine Furcht. Sie hatte manche Nacht alleine auf der einsamen Alp sein müssen, als daß sie ein ängstlich Gemüt hätte haben sollen. Sie scheute sich also nicht vor dem Grab.
    In der Nähe desselben hatte der Fex sich einen niedrigen Rasensitz hergerichtet. Darauf ließ Leni sich nieder. Anton blieb vor ihr stehen. Der Mond schien ihr hell in das Gesicht, während das seinige beschattet war. So verging eine kleine Weile, ohne daß einer von beiden ein Wort sagte. Er schien ebenso wie sie keinen rechten Anfang zu finden. Endlich aber meinte er in ungeduldigem Ton:
    „Du hast mich bestellt, und ich hab auf die gewartet. Was hast mir nun zu sagen?“
    „Erst möcht ich dich fragen, ob du mir nix zu sagen hast, Anton.“
    „Was sollt ich dir zu sagen haben!“
    „Nix von dir?“
    „Ich weiß nix.“
    „Und auch nix von deinen Eltern?“
    „Was gehn sie dich an?“
    „Hab ich etwa früher nicht nach ihnen gefragt?“
    „Das war früher!“
    „Meinst, daß es jetzt nun anders ist?“
    „Ja.“
    „Nein, es ist gar nicht anders. Es sind deine Eltern, und da denk ich an sie, grad so wie ich an dich denk, und ich möcht gern wissen, was sie machen und wie es ihnen geht.“
    „So? Denkst also zuweilen an mich?“
    „Immer.“
    „Und was denkst da?“
    „Daß du ein recht verschlossener Bub worden bist.“
    „Das war ich immer.“
    „Nein. Damals bist offen gewest und aufrichtig. Da hast einem alles gesagt. Jetzt aber sagst nichts, kein Wort, obgleich du weißt, was ich alles auf dem Herzen hab.“
    „Und was hast darauf?“
    „Siehst! Fragst mich bereits wieder! Und doch weißt's ganz ebenso genau wie ich selber.“
    „Ich weiß gar nix, gar nix“, sagte er in hartem Ton.
    „Anton!“ bat sie.
    „Was willst?“
    „Herrgott! Bist gar so hart?“
    „Ich bin weich, sehr weich. Mich kann man um den Finger herumwickeln; aber gar noch schlimmer laß ich mir's doch nicht machen.“
    „Wer hat's noch schlimmer gemacht?“
    „Du.“
    „Das ist nicht wahr.“
    „Willst's leugnen?“
    „Was nicht ist, kann man nicht leugnen.“
    „Ja, es ist nix, und es ist auch nix gewesen. Und so weiß ich auch nicht, warum du mich heut bestellst.“
    „Weil ich so gern mit dir hab reden wollen; weil ich dich nimmer vergessen kann, und weil ich dich noch ganz ebenso liebhab wie vorher.“
    „Das machst mir nicht weis!“
    „Glaub's, Anton!“
    Sie ergriff seine Hand die er ihr aber sofort wieder entzog. Er antwortete:
    „Dir glaub ich schon gar nix mehr. Du sagst, du hast mich noch lieb ganz wie vorher. Ja, das ist wahr, du hast mich nicht lieb, denn du hast mich überhaupt gar niemals lieb gehabt.“
    „Wann du das sagst, so bist ein schlechter Kerl!“
    „Oho!“
    „Ja! Denk zurück, was ich dir damals sagt hab und was ich alles hab tun wollen für dich und die

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