66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
mich mit den Gedichten fangen? Das ist kein Leim für mich. Wann's wirklich wahr ist, daß du mich noch liebhast, so gehst fort von München und kommst zu mir. Wir können mitnander aufs Hausieren gehn und viel Geldl verdienen. Da schaust auch die Welt und erfährst, was in derselbigen alles geschehen kann. So ist's. Jetzt sag, ob du willst!“
„Das kann ich nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil ich nun schon zu weit gegangen bin. Damals hätt ich's dir zulieb tun können. Nun aber bin ich acht volle Monaten in München gewest, und der König hat paar tausend Mark für mich zahlt. Sag selber, was er von mir denken sollt, wann ich ihm nun den Stuhl vor die Türen setzen tät.“
„Dem kann's egal sein. Sängerinnen gibt's außer dir genug, und Geld hat er auch genug.“
„Und doch wär es eine Undankbarkeiten sondergleichen, wann ich's tät.“
„Geh weg! Das ist eine Ausreden! Du hängst an der Sachen; ich weiß es; ich hab's gehört.“
„Wann?“
„Vorhin, als du gesungen hast.“
„Das hast mit angehört?“
„Ja. Ich hab doch gewußt, daß du bei dem König bist und daß du's also warst, die da sang.“
„Das kannst auch gleich an meiner Stimm hören.“
„Nein.“
„Kennst sie doch.“
„Jetzt nicht mehr. Sie ist zwar noch ganz dieselbe, und trotzdem ist sie ganz anders worden, so ganz anders. Ich hab an dem Gesang gehört, daß du für mich auf immer nun verloren bist.“
„Wie kannst das heraushören?“
„Sehr leicht. Deine ganze Seel ist dabeigewest; du hast nicht gesungen, sondern du hast geweint, keine Tränen, sondern Töne. Und wer das tut, der gehört dem Gesang an und kann nimmer von ihm lassen. Das ist gewiß.“
Er ahnte nicht, daß er, der einfache Naturmensch, jetzt ein tiefes Verständnis verriet, welches nur einer besitzen kann, dem Gott ganz dieselben Gaben verliehen hat, welche er an andern verdammt oder in Fesseln schlagen will.
„Du magst da recht haben“, sagte Leni nachdenklich. „Wann ich aufrichtig mit dir sein will, so muß ich dir sagen, daß ich nicht bloß wegen dem König allein nun bei dem Studium verbleib. Ich hab nun in eine Welt geschaut, welche edler und höher ist als diejenige, in der ich mich vorher befunden hab. Wann ich ihr nun entsagen wollt, so würd ich mir selbst entsagen und das darf kein Mensch.“
„Ah, so bist also jetzt selbst edler und höher als ich?“
„In einem gewissen Sinne, ja. Aber das sag ich ja nicht aus Hochmut und weil ich mein, ich sei besser als du. Doch das kann ich dir sagen, daß es mir ein großes Glück und eine wirkliche Seligkeiten wär, wann ich dich dahin bringen könnt, wo ich jetzt bin.“
„An's Theatern etwa?“
„Nein, das ist's nicht, was ich meinen tu. Ich will sagen, du sollst auch so denken lernen und fühlen wie ich. Du sollst dich auch erfreun an der Kunst und an dem, was höher ist als Käs und Brot und als Tabaken und Milch.“
„Ich dank dafür. Wann ich tüchtig zu essen hab und zu trinken, und bin auch gesund dazu, so ist's genug, so bin ich glücklich.“
„So denkt der niedrigste Mensch. So denkt auch der Hund und die Katz.“
„Mit denen willst mich vergleichen? Das wird ja immer besser!“
„Du verstehst mich nur falsch.“
„Nein, ich versteh dich schon ganz recht. Ich gehöre zu denen niedrigen Menschen, die grad neben dem Viehzeug stehen. Aber dir wird's auch noch kommen. Du wirst auch noch mit Sehnsucht an mich denken. Denk nur mal zurück an den Abend, an welchem die Mondsüchtige kam! Ich weiß noch ganz genau, was sie gesagt hat. Weißt's auch?“
„Ja.“
„Deins lautete:
O traue nicht dem eitlen Tand,
Und trau der Liebe nur allein!
Da hast ganz deutlich die Warnung vor der Welt, die du so hoch und so edel nennst.“
„Das ist nicht gemeint, sondern nur der Flitter, den's überall gibt, auch in der deinigen Welt. Aber dein Spruch, den sie dir sagte, der hieß:
Verstoß, verstoß die Seele nicht.
Der durch dich schweres Leid geschah!
Weißt auch, welche Seelen da gemeint ist?“
„Nein.“
„Das könntest aber wissen.“
„Etwa du?“
„Ja.“
„Dir wird nimmer viel Leid geschehen sein. Du hast dich sehr bald herausgefunden, und nun gefallt dir's so in deiner hohen, edlen Welt, daß dir's ganz gleich ist, wie ich mich befind, ob wohl oder übel.“
„Das ist eine Lügen, und an sie glaubst selber nicht. Wann's wirklich so wär, so ständ ich jetzt nicht hier vor dir, sondern ich hätt dich gar nicht
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