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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu unternehmen. Ich hörte, daß es nur einen einzigen gibt, der es wenigstens versuchen könnte, und der bist du.“
    „Kannst deine Frau hören?“
    „Nein. Es ist zu hoch.“
    „So weißt ja gar nicht, ob sie noch lebt.“
    „Das weiß ich. Sie hat noch vor kaum zehn Minuten mit dem weißen Taschentuch gewinkt. Sage mir, ich frage dich bei Gott und bei deiner Seligkeit, ob es möglich ist, zu ihr zu gelangen!“
    „Mit einer Leitern nicht, und von oben herab mit einem Strick auch nicht; denn die Kuppe ist unersteigbar.“
    „Mein Gott! So ist sie verloren! Sie muß elend verschmachten!“
    Er sank auf einen Stein nieder. Niemand sagte ein Wort. Aller Augen hingen an dem Gemsenjäger, welcher mit seinem Blicke die ungeheuere Wand musterte. Der Pfarrer trat an seine Seite.
    „Anton!“ sagte er halblaut.
    „Weiß schon, Hochwürden!“
    „Ich will dich nicht in das Verderben senden; aber da oben streckt der Verzweiflungstod seinen entsetzlichen Rachen einem armen Menschenkind entgegen. Ich kenne dich; ich brauche dir kein Wort weiter zu sagen.“
    „Ist nicht nötig, Hochwürden. Hält irgendwer die Rettung für möglich?“
    „Kein Mensch, als dein Vater allein!“
    „So will ich zu ihm. Wo ist er?“
    „Ganz da vorn. Er hat sich die Wand noch einmal ganz genau betrachten wollen.“
    Anton schritt zwischen den Trümmern auf den alten Vater zu, welcher mit seinem Weib auf einem Steinblock stand und den Blick nach der Unglücksstätte gerichtet hielt. Er wußte, daß sein Sohn sich nicht suchen lassen, sondern zu ihm kommen werde.
    Alle Anwesenden folgten hinter Anton, und als dieser seine Eltern erreichte, gruppierten sie sich in einem engen Kreise um die drei Personen.
    „Kommst endlich!“ sagte der alte Warschauer, indem er dem Sohn die Hand entgegenstreckte. „Schau, da droben liegt die Arme. Sie kann nicht herab, und wir können nicht hinauf. Was meinst dazu, Anton?“
    „Ja, du bist der Vatern; erst kommst du. Was meinst denn dazu?“
    „Ich mein, daß es schlimm ist, wann das Alter kommt. Einmal, in vorheriger Zeit, war ich noch kräftig und zäh. Da bin ich an allen Wänden emporgelaufen.“
    „Auch an so einer?“
    „Nein, an so einer noch nicht; aber ich weiß nicht, ob ich nicht auch das versucht hätt.“
    „So meinst, daß ich es versuchen soll?“
    „Nein, das mein ich nicht. Schau, du bist jung, und das ist der Tod.“
    Er deutete bei den letzten Worten nach der Wand. Der Professor hatte es gehört; er trat herbei und sagte:
    „Ich wiederhole, was ich bereits hundert- und tausendmal gesagt habe: ich gebe dem Retter mein Vermögen. Warschauer, rede deinem Sohn zu, daß er es sich verdiene!“
    Der Alte machte eine ganz unbeschreibliche Handbewegung und antwortete in zornigem und beinahe verächtlichem Ton:
    „Wer bist denn, he, daß du mir dein Vermögen bietst? Ein Professor? Ist ein Professor oder sein Weib mehr wert, als ein anderer Mensch? Wie groß ist dein Vermögen? Sag!“
    „Über hunderttausend Gulden. Sie sind Euer, wenn Ihr mir meine Frau bringt.“
    „Hunderttausend Gulden? Was ist das denn weiter? Das ist ein Dreck gegen das Vermögen, was ich besitze. Da schau her! Hier steht mein Vermögen, der Anton, mein einzig Kind. Was gibst mir, wann der von der Felswand abistürzt und tot ist? Kannst mich dann mit hunderttausend Gulden bezahlen?“
    „Nein, das kann ich nicht. Aber ich flehe Euch an, hier auf meinen Knien, daß Ihr –“
    Er war wirklich auf die Knie niedergesunken.
    „Halt ein!“ gebot ihm der Alte. „Du darfst nur vor deinem Herrgott niederknien. Wann du von Lohn sprichst, so ist das eine Beleidigung für uns. In den Bergen wohnen arme Leuteln, aber brav sind sie doch. Ihr reichen Leut kommt herauf zu uns und streicht da herum, wo ihr nicht hingehört. Ihr bringt Geld mit euch und meint nun, daß ihr die Berge kaufen könnt. Ihr macht uns die Nahrung teuer, und wann ihr fort seid, so habt ihr das mit euch mit fortgenommen, worauf wir stolz sein konnten allimmerdar: die Einfachheit, die glücklich macht, auch wann man arm ist und nur das trocken Brot hat. Ich mag von den reichen Leuten nix wissen; aber sie sind halt auch Menschen, und wann einer sich in Gefahr befindet, so frag ich halt nicht, ob er arm ist oder reich; ist's möglich, so soll er gerettet werden. Aber wann du mir nochmals Geld bietest, so gehe ich heim und nehm den Anton mit!“
    „Warschauer!“ sagte der Pfarrer in verweisendem Ton. „Bedenke, was der Herr Professor fühlen

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