66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
der Stadt reiten, um dem Amtmann den Brief zu bringen.“
„Satteln? Reiten? Ich? Hat er das gesagt?“
„Ei wohl!“
„Das ist ja ganz besonderbar! Ich hab keinen Sattel!“
„Er sagt, du sollst dir einen ausborgen.“
„Auch noch! Ich bin niemals in meinem Leben geritten, und heut soll ich den Kurier oder gar die königliche Stafetten machen. Wann ich herunterfall, so ist's gefehlt.“
„Der König sagt, es schadet nix, wann du auch herabfällst. Die Hauptsache ist, daß der Brief so rasch wie möglich nach dem Gerichtsamt kommt.“
„So, das schadet nix? Aber wann ich fall und brech den Hals, so kommt der Brief doch gar nicht hin, sondern er bleibt mit mir liegen, und das Pferd läuft davon. Kann ich denn da nicht lieber mein Berner Wägele anspannen?“
„Ja, das kannst auch, sagte der König; aber nur sehr rasch machen sollst!“
„Nun, das soll so schnell geschehen, wie es geschehen kann. Freilich hab ich das Pferd draußen auf dem Acker, da muß ich erst die Margreth hinaussenden, um es zu holen.“
„Wie lang dauert das?“
„Eine halbe Stunde. Ebensolang brauch ich auch, um das andere Geschirr anzulegen, und saufen muß der Schimmel doch vorher auch; das macht eine gute Stunden wenigstens.“
„Und in einer halben Stunden läuft man zu Fuß in die Stadt!“
„Freilich wohl.“
„So lauf doch lieber!“
„Das geht doch nicht!“
„Warum nicht?“
„Der König hat befohlen, daß ich reiten soll oder fahren.“
„Aber er hat auch gemeint, wann das Pferd draußen auf dem Acker ist, sollst lieber laufen.“
„So, das hat er gesagt?“
„Freilich.“
„So werd ich laufen.“
„Aber halt schnell und nicht wie ein Schneck, so tipp – tipp – tapp! Verstanden?“
„Nein; es geht tipptapptipptapp!“
„So mach halt, daß du fortkommst!“
„Nun, so schnell geht's doch nicht. Ich muß wohl erst doch vorher die Stiefel anziehen. Mit meinen Diensttagslatschen kann ich doch schier nicht auf das Gerichtsamt gehen. Die Leuteln dort müßten schon denken, daß ich gar keinen Verstehst mich hätt!“
„So mach so schnell du kannst! Und, weißt, sag auch noch einen schönen Gruß von mir!“
„Dem Amtmann?“
„Nein, dem Anton natürlich.“
„Was hast denn mit dem?“
„Das geht dich halt nix an!“
„Meinswegen! Ich soll also warten, bis er frei ist?“
„Natürlich mußt du richtig schaun, daß das Gnadengesuch auch richtig respektiert wird.“
„Es ist ja gar kein Gnadengesuch!“
„Was sonst?“
„Eine höchstselbige königliche Kabinettsurkundenschreiberei.“
„Das ist ganz egal. Gnade ist Gnade, ob sie aus dem Kabinett kommt oder ob sie auf einer Urkund steht; das tut nix zur Sachen. Jetzt werd ich gehen. Aber wann du etwa in fünf Stunden noch hier stehst und das Maul aufsperrst, so lauf ich zum König und laß dich vom Dienst bringen!“
„Himmelsakra! Bist du ein Weibsbild!“
„Euch Männern muß man auch allbereits die Höll heiß machen, sonst klebt ihr an der Wand wie ein altes Kalenderblatt. Und noch eins: Kennst etwa auch den Nachtwächter?“
„Natürlich schon!“
„Der immer ‚Verdimmi verdammi‘ sagt?“
„Ganz denselbigen.“
„Wannst ihn siehst, so sag ihm ein schönes Kompliment von mir und der Anton wär frei.“
„Warum ihm?“
„Das ist egal. Der König hat's gesagt.“
„Auch das noch! Was nur der König mit dem Nachtwächter zu schaffen hat!“
„Danach hast nix zu fragen. Plausch nicht ewig, und steig in die Strümpf, daß du fortkommst!“
Sie ging, und der Gemeindevorstand zog sich so eilig an, daß er in vollen drei viertel Stunden endlich den Weg unter die Füße nahm.
Freilich, wie er nun lief, so war er in seinem ganzen Leben noch nicht gelaufen. Das Umkleiden hatte sehr lange gedauert. Unterwegs aber strengte er sich so an, daß er nach Verlauf einer Viertelstunde bereits die Stadt erreicht hatte. Der Zufall wollte, daß ihm der Nachtwächter begegnete. Dieser kannte den Dorfbeamten und grüßte, verwundert über die Eile, welche derselbe zeigte.
„Wo willst hin?“ fragte er. „Du fliegst ja allbereits wie eine Schwalben herein!“
„Aufs Amt.“
„Ist's so eilig?“
„Sehr wohl! Und was ich dir sagen will, ich hab auch ein schönes Kompliment an dich auszurichten.“
„An mich? Von wem?“
„Vom König.“
„Bist verruckt?“
„Ich hab meinen vollen Verstand.“
„So meinst wohl einen, der König heißt?“
„Nein. Ich mein den, der König ist. Er ist bei uns im
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