66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
ist?“
„Soll's wirklich so enden?“
„Ja.“
„Es könnt ja ganz anders sein!“
„Freilich.“
„Komm her!“
„Kannst auch zu mir kommen!“
Er war vor der Tür stehengeblieben, den Rücken ihr noch immer zugekehrt. Sie kam herbei, legte ihm von hinten den Arm um den Hals und sagte:
„Komm herein, und sei gut!“
„Willst gehorchen?“
„Laß mich fort! Wann ich dann merk, daß man solches, wie du gesagt hast, von mir verlangt, so kehre ich ganz von selber zurück.“
„Nein. Du bleibst gleich heut!“
„Anton, sei doch vernünftig!“
„Sei du es doch!“
„Es ist ja gar nicht nötig, daß ich zum Theater geh! Es gibt auch Sängerinnen, die nur in Konzerten singen. Ich hab das gehört.“
„Du sollst nicht im Theater und nicht im Konzert singen. Ich duld es nicht. Sagst ja oder nicht?“
„Denk doch an den König!“
„Was geht der mich an! Ich bin quitt mit ihm. Ich hab ihm das Leben gerettet, und er hat mir die Freiheit gegeben. Dich aber soll er in Ruhe lassen. Dein König bin ich! Wirst gehorchen?“
Da nahm sie ihre Arme von ihm zurück.
„Gehorchen? Nein!“
Sie sagte das in einem so entschiedenen Ton, daß er sich schnell zu ihr herumdrehte.
„Nicht?“
„Nein. Noch bin ich dir nicht Gehorsam schuldig!“
„Gut, so sind wir geschiedene Leut!“
„Wenn du nicht anders willst, so muß ich auch zufrieden sein.“
Ihre Stimme bebte aber dennoch, als sie das in möglichst gleichgültigem Ton sagte. Er deutete nach rechts hinüber, nach dem Felsengrat.
„Schau, dort bin ich in der Nacht hinüber. Da hatt ich Flügel; das Glück hatt sie mir geliehen. Aber ich wollt, ich wär da abigestürzt und läg dort unten im Abgrund, wo mich kein Mensch nicht mehr finden könnt!“
„Und deine Eltern!“
„Die wüßten es nicht anders, und du wärst ja bei ihnen. Du hast's ja gesagt. Nun aber ist's viel, viel schlimmer, als wann ich tot wär. Jetzt ist meine Lieb gestorben, meine Seel gestorben, mein Glück gestorben, alles, alles ist tot, nur ich leb noch allein!“
„Deine Lieb ist auch gestorben? So kann sie nicht groß und stark gewesen sein. Aber ich kenne dich schon. Der Zorn spricht aus dir. Wann eine Zeit vergangen ist, so wirst schon ganz anders denken. Darum sag ich dir auch jetzt noch: Überleg es dir!“
„Es ist überlegt.“
„Dennoch werd ich dir von München aus einen Brief schreiben. Wirst mir antworten?“
„Nein.“
„Anton, du wirst antworten; ich weiß es. Du hast mich lieb. Dein Herz wird schon noch den Sieg gewinnen über den starren Kopf. Und wann ich dir schreib und schick dir tausend Grüße, so wirst nicht hart bleiben können, sondern mir eine Antwort senden und auch einen Gruß. Nicht?“
Sie legte ihm nochmals die Hand auf den Arm und blickte ihm warm in das Auge. Da zog es ihn herum zu ihr.
„Leni!“ rief er aus. „Ich kann dich nicht fortlassen. Tu mir das nicht an! Bleib hier!“
„Ich muß mein Wort halten; ich hab's deinetwegen gegeben; aber wann ich merk, daß ich dort nicht brav bleiben kann, so komm ich zu dir zurück, Anton!“
„Das ist nix! Entweder ganz hierbleiben oder ganz fort von mir, immer, immer! Entscheide!“
„Ich gehe!“
„So ist's gut! Du bist doch die falsche Katz, wann du es auch nicht zugibst. Ich geh, und du wirst mich nicht wiedersehn. Behüt dich Gott auf ewig!“
Er stieß sie von sich und stürmte fort.
Sie schlug die Hände vor das bleiche Gesicht. Es war ihr todesweh um das Herz. Sie lauschte mit verdecktem Angesicht, bis seine Schritte verklungen waren. Dann ließ sie die Hände herab.
„Heilige Mutter Gottes, was soll ich tun?“ hauchte sie. „Da geht er fort, mein Glück, meine Lieb und mein Leben!“
Und als ob ihre Liebe jetzt mit zehnfacher Gewalt im Herzen lebendig werde, eilte sie vor an den Rand des Abhanges, wo man den Bergpfad überblicken konnte.
Da unten ging Anton, gerade an der Stelle, an welcher gestern der König dem Sepp die Wurzeln mit zusammengesucht hatte. Leni hielt die Hand an den Mund und stieß einen Jodler aus. Anton ging weiter, ohne zu antworten. Da überfiel sie eine unendliche Bangigkeit, eine Sehnsucht, welcher sie nicht zu widerstehen vermochte.
„Anton, Anton!“ rief sie hinab.
„Was willst!“
„Komm wieder herauf!“
„Fallt mir nicht ein!“
„Ich will bleiben!“
„Jetzt brauchst's nun auch nicht mehr!“
Er ging und verschwand um die Ecke. Da eilte sie vom Rand zurück, an der Hütte vorüber und den Pfad hinab. Sie wollte ihm
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