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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehalten, aber er kennt die Völker, bei denen der Wahnsinn als ein Geschenk der Götter gilt, bei denen die Irren zu den Erleuchteten des Himmels gezählt werden. Komm her zu mir, mein Bruder in den neun Musen! Wir sind geistesverwandt. Ich muß dich küssen!“
    Sie trat ihm näher. Er aber wich zurück und sagte: „Wenn du einen umärmeln willst, so tu's mit dem Schwarzen da! Ihr seid alle drei verrückt. Ich hab mit euch nix zu schaffen.“
    Er eilte fort, zwischen die Bäume hinein.
    „Wie stolz!“ sagte sie. „Ich wollte ihn studieren, um ihn in meinem Roman als Sujet zu verwenden. Aber er ist unnahbar. Nicht?“
    „Ja, unnahbar incomprensibile! Con lui non c'e, da far niente; es ist nichts mit ihm ßu maken.“
    „Vielleicht mehr als mit anderen Leuteln“, meinte der Wurzelsepp. „Wann ihr endlich nun nach der Talmühl wollt und überfahren, so macht, daß ihr mitkommt: Ich geh halt jetzt.“
    Da hier nichts mehr zu schaffen war, folgten ihm die beiden. Er führte sie nach dem Waldweg zurück, den sie vorhin verlassen hatten und welchen sie nun wieder folgten. Die Dichterin wollte ihn wieder in ein Gespräch verwickeln, um ihn nach verschiedenem zu fragen, aber er war wortkarg und sehr nachdenklich geworden und hielt nicht mehr Schritt.
    Bald hörten sie Wasser rauschen. Sie kamen an den Fluß, welcher am Fuße des Berges vorüberging. Auch das gegenüberliegende Ufer desselben war mit Bäumen bestanden, doch gab es eine Stelle, an welcher sich das Grün zu einer Aussicht auf die Mühle öffnete.
    Diese lag als ein ziemlich bedeutender Gebäudekomplex an einem Mühlengraben, welcher vom Fluß abgeleitet war. Mehrere hohe Gebäude ließen vermuten, daß der Müller sein Geschäft im großen betreibe. Rechts schloß sich ein großer Garten an dieselben an, und links lag auf der Höhe eine Art Villa, welche der Müller zur Sommerzeit an Badegäste vermietete.
    Oberhalb des Dorfes nämlich, zu welchem die Mühle gehörte, und mit demselben fast zusammenhängend, lag an beiden Ufern des Flusses die weitbekannte Badestadt, in welcher Tausende Heilung oder doch wenigstens Linderung ihrer Leiden suchten und auch fanden.
    Der Wurzelsepp blickte suchend am Ufer hinauf und auch hinab. Er schüttelte den Kopf.
    „Wo ist die Fähre?“ fragte er. „Die kann doch nirgends anders sein, als hier!“
    Er legte einen Finger in den Mund und stieß einen scharf gellenden Pfiff aus, welcher sofort im Wald beantwortet wurde.
    „Wer gab diese Antwort?“ fragte die Dame.
    „Der Fex. Der Pfiff ist das Zeichen, daß einer überfahren will. Kannst dir's merken!“
    „Aber ich kann nicht pfeifen.“
    „So rufst seinen Namen, Fex; dann kommt er.“
    Man hörte eilige Schritte, und dann sahen sie den Fex durch die Büsche brechen.
    „Wo ist denn die Fähre hinkommen?“ fragte Sepp.
    Der Fex blickte auch nach rechts und links – von der Fähre keine Spur.
    „Fingerl-Franz!“ sagte er, weiter nichts, dann sprang er gleich in den Kleidern, wie er war, in die kalte, tiefe, rauschende Flut.
    „Herrgott!“ rief die Dichterin erschrocken. „Was tut er? Er kann sich den Tod holen!“
    „Der nicht“, lachte der Sepp.
    „Aber er kommt doch nicht wieder empor!“
    „Nicht? Schau da hinunter!“
    Ein bedeutendes Stück abwärts tauchte der Fex wieder auf, holte Atem und verschwand dann wieder.
    „Warum tut er denn das?“ fragte der Konzertmeister.
    „Weil der Franz allein übergefahren ist und nachher die Fähre nicht anbunden hat, um den Fex zu ärgern. Nun ist sie hinabgeschwommen, und er muß sie suchen und heraufbringen.“
    „Dabei könnte er doch laufen!“
    „Schau die hohen Felsen, die hier ans Ufer treten. Wann er sie ersteigen wollt, so würde eine sehr schöne Zeit vergehn. Lieber schwimmt er. Und wann man unterm Wasser schwimmt, so geht's halt schneller, als oben; darum kommt er nur herauf, wann er Luft schöpfen will. Um den braucht ihr keine Angst zu haben; der ist im Wasser zu Haus wie wir auf der Erd. Er macht sogar die Augen auf, wann er unten schwimmt. Da sieht er die Fischen und alles Getier, was es drinnen gibt. Er ist selber wie so ein Fischen; selbst wann er im Winter im Wasser ist, wird er nicht krank davon. Er hat schon einigen das Leben gerettet.“
    „So bekam er die Rettungsmedaille?“ fragte Franza von Stauffen.
    „Der und eine Medaillien? Das fällt wohl keinem Menschen ein. Es heißt, daß der Fex seine fünf Sinne nicht beisammen hat, und so ein armes Wurmel kann retten, soviel er

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