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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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freilich Paula dazu bei. Wer einmal in den Dienst des Müller getreten war, dem hatte es das gute, liebe Mädchen bald so angetan, daß es ihm schwer wurde, das Haus zu verlassen.
    Fragt man nun, wer mit der gefürchteten Peitsche am meisten in Berührung kam, so war sicher ein jeder sofort mit der Antwort da: der Fex. Und eigentümlich: Alle glaubten auch, daß er dies reichlich verdiene. Er bekam sein Essen und Trinken, aber keinen Lohn. Und Jahre waren vergangen, ohne daß er irgendein Kleidungsstück erhalten hatte. Er sprach mit keinem Menschen ein anderes Wort, als was ganz unumgänglich notwendig war, und schlief im Sommer und im Winter draußen in der Fähre. Wie er das im Sturm und Schneegestöber aushielt, das hätte keiner begreifen können, wenn es überhaupt irgendeinem eingefallen wäre, diese Frage sich vorzulegen.
    Am wortkargsten war er mit dem Müller selbst. Nie, wenn er mit diesem sprach, hatte jemand gesehen, daß er eine Miene bewegte oder mit der Wimper zuckte. Selbst der schärfste Peitschenhieb war nicht imstande, ihm den leisesten Seufzer des Schmerzes oder eine Bewegung des kleinsten Fingergliedes zu entlocken. Und warum das? Alle meinten, es sei Verstocktheit, Ehr- und Gefühllosigkeit; er aber allein wußte es besser. Der Grund, aus welchem er die furchtbare Sklaverei wie ein heiliger Märtyrer trug, hieß – Paula.
    Der Fex war ein Waisenkind, von einer fremden Zigeunerin hergebracht, welche hier gestorben war. Er war damals vielleicht vier Jahre gewesen und hatte eine fremde Sprache gesprochen, welche niemand kannte. Später hatte sich nur der Müller seiner angenommen, aus Spekulation. Er bekam einen Dienstboten, dem er keinen Lohn zu zahlen brauchte. Sonst waren beide, der Müller und der Fex, einander fremd – natürlich. Dennoch aber gab es Leute, welche im stillen meinten, daß zwischen diesen beiden ein Geheimnis walte. Wehe dem, welcher bei der Lösung des Rätsels die Kosten zu tragen hatte!
    Es war keinem Menschen eingefallen, den Fex in die Schule zu schicken. Der Schulzwang schien für ihn gar nicht vorhanden zu sein. So war es gekommen, daß er weder zu lesen noch zu schreiben verstand und auch nicht wußte, daß zwei mal drei sechs ist. Sogar das Geld kannte er nicht, wie es schien. Für die Überfahrt nahm er, was man ihm gab, und lieferte es getreulich an den Müller ab. Es war da fast zu verwundern, daß er von der Turmuhr ablesen konnte, welche Stunde es sei. Er war eben ein Fex, ein geistig impotenter Mensch, und was ihm ja von verschwindenden Geistesgaben angeboten war, das war ihm durch seine Verstocktheit vollständig verloren gegangen.
    Als der Fingerl-Franz jetzt beim Müller eintrat, befand der letztere sich allein in der Stube.
    „Grüß Gott!“ brummte der Kommende und warf seinen Hut in die Ecke des Kanapees, sich selbst daneben hin.
    „Himmelsakermentski, wie siehst aus!“ rief der Müller erschrocken.
    „Wie soll ich aussehn, he?“
    „Als ob du aus einer Rauferei kommst.“
    „Das kann wohl sein.“
    „Jetzt bereits? Am Morgen schon?“
    „Gibt's alleweil eine bestimmte Stunden, an welcher das Raufen beginnen darf?“
    „Das nicht. Wer Lust hat, der kann sich zu jeder Zeit den Hals brechen lassen. Aber zugerichtet bist hübsch, das muß ich sagen. Die Nasen ist fast ganz entzwei, und das Maul ist angeschwollen, wie eine doppelte Leberwursten.“
    „Also ist's doch appetitlich!“
    „Find's nicht grad so. Mit wem bis denn so scharf zusammengeraten?“
    „Wird dich nicht sehr interessieren!“
    „Grad sehr! Du bist der stärkste Kerl überall, und keiner ist dir über. Da möcht man schon gern wissen, an wem du den Meister gefunden hast.“
    „Den Meister? Was fällt dir ein! Wann die Rauferei ehrlich ist, so gibt's für mich nie keinen Meister. Aber wann man heuchlerings überfallen wird, so kann auch der Riese Goliath nix dafür, wann er einen Schmarren ins Gesicht erhält.“
    „Wie? Hinterrücks bist überfallen worden?“
    „Kannst's doch denken.“
    „So sag doch, von wem!“
    „Von einem Gesind von dir.“
    Da hob der Müller die Peitsche empor und ließ sie mit leisem Pfiff durch die Luft gehen, so daß es klang, wie wenn einer vor Verwunderung die Luft pfeifend durch die geöffneten Lippen stößt.
    „Einer von mir? Das denkst wohl bloß nur! Ich wüßt keinen bei mir, der es wagen wollt, sich mit dir zu messen.“
    „Ja, eben hinterrücks!“
    „Dem wollt ich's anschreiben!“
    Bei diesen Worten gab er mit der Peitsche

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