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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gramgebeugten Vater. Ich fand keine Worte und auch keine Tränen. Am andern Morgen wankte ich neben dem Vater hinter dem Sarg her, und dann legte ich mich krank nieder – ein Wundfieber hatte mich ergriffen.“
    „Sapperlotern! Da habens wohl phantasiert und auch alles verzählt, was geschehen war?“
    „Nein. Phantasiert habe ich nicht, sondern ganz still und stumm gelegen. Das Fieber hatte jene heimtückische, schleichende Gestalt angenommen, welche dem Leben am gefährlichsten ist. Ich rang monatelang zwischen Tod und Leben, bis endlich die Jugend siegte. Und selbst dann war ich noch lange Zeit so schwach, daß ich nicht stehen konnte. Es war ein Gefühl stumpfer Gleichgültigkeit, ein Zustand dumpfen Vergessens über mich gekommen. Ich sah die Gesichter der Leute, welche in meine Nähe kamen, aber ich merkte sie mir nicht. Ich wußte später nicht, was um mich her geschehen war. Nach und nach, langsam, äußerst langsam, erwachte der Puls neuen Lebens in mir. Ich zwang mich, meiner Umgebung wieder Aufmerksamkeit zu schenken. Was ich erblickte, war traurig genug. Der Vater wankte wie ein Schatten umher, abgemagert, mit müden, glanzlosen, toten Augen. Der Tod meiner Schwester, meine Krankheit, sein eigenes, unverdientes Schicksal; das trieb nun auch ihn an den Rand des Grabes. Er hatte mich in meiner Krankheit nicht verlassen können und infolgedessen seine Stelle verloren. Er war zu schwach, eine andere zu begleiten und hätte jetzt auch keine andere erhalten.“
    „Aber wovon haben 'S dann gelebt?“
    „Das wußte ich auch nicht. Ich fragte ihn, und er antwortete mir nur mit dem Namen Holberg. Mein Jugendfreund hatte kurz vorher sein Assessorenexamen bestanden und sich dann in unserer Stadt als Rechtsanwalt niedergelassen. Bereits vor meiner Ankunft hatte er den Vater unterstützt und während meiner Krankheit seiner Güte in Form einer Geldanweisung Ausdruck gegeben. Auch diese Summe war bald zur Neige gegangen, und nun lebten wir beide, Vater und ich, ohne daß ich es erfuhr, nur von der edlen Unterstützung des braven Holberg. Er war keineswegs sehr vermögend; aber er besaß trotz seiner Jugend bedeutende juridische Kenntnisse und hatte bald eine so zahlreiche Klientel um sich versammelt, daß er nicht unbedeutende Einnahmen machte.“
    „Ein sehr braver Kerlen!“
    „Ja, so war er“, gab sie mit einem tiefen Seufzer zu. „Und daß er so brav war, das hat mir später so manche, manche böse Stunde bereitet.“
    „Warum das? Wann einer brav ist, kann man doch nicht bös drüber werden!“
    „Oh, nicht über ihn, sondern über mich mußte ich zürnen. Ich war nicht brav gegen ihn. Ich erfuhr erst nach und nach vom Vater, welchen Dank wir ihm schuldeten. Das lockte die Aufmerksamkeit meiner dankenden Seele auf ihn. Ich begann, ihn zu beobachten. Ich lernte seine Charaktereigenschaften, seine Vorzüge kennen, lernte ihn schätzen. Ich hatte ihn täglich vor Augen, sein bescheidenes Wesen, sein stilles Werben um meine Liebe. Ich betrachtete auch sein Äußeres zum ersten Mal mit anderen Augen. Ich sah, daß er zwar nicht schön war, aber doch auch körperliche Vorzüge besaß, welche mir bisher entgangen waren. Kurz und gut, er war ein edler Mann, und ich lernte ihn lieben. Das war freilich eine ganz andere Liebe als meine erste. Sie hatte nicht die Glut, die unbedenkliche Hingabe der ersteren; aber sie war rein, innig und wahr.“
    „So habens ihn dann heiratet?“
    „Ja. Aber das ging nicht so schnell. Ich fühlte und wußte, daß ich sein nicht wert sei. Ich war ohne den Segen des Priesters das Weib eines andern gewesen. Durfte ich einem so edlen Mann gehören, ohne mich der größten Sünde, des Betrugs, schuldig zu machen? Aber konnte ich ihm alles sagen? Nein und tausendmal nein. Ich wär vor Scham gestorben. Da belauschte ich eine Unterredung zwischen ihm und meinem Vater. Dieser sagte ihm, daß er mich kenne und daß er glaube, ich liebe ihn, den Rechtsanwalt. Er gab ihm den Rat, zu mir von seiner Liebe zu sprechen. Aus der Antwort, welche darauf folgte, erkannte ich den Edelmut Holbergs. Er sagte, daß er nur mich lieben könne und sein Glück nur an meiner Seite finden würde, aber er glaube, daß ich ihn nicht liebe, sondern nur Dankbarkeit empfinde für das Wenige, was er für uns getan habe. Vater zerstreute seine Bedenken, und dann – ja, dann kam eine Stunde, in welcher der edle Mann meine Hand in die seinige nahm und mich fragte, ob ich sie ihm lassen wolle fürs ganze Leben. Sepp,

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