68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
Der Sepp verstand nicht, warum, sie diese Strophen sagte, und schwieg darum auch. Nach einer längeren Weile fuhr sie fort:
„Als er dann an jenem Abend von mir ging, war ich so glücklich. Das Glück sollte ein schnelles und ganz unerwartetes Ende nehmen. Nämlich als ich am andern Morgen erwachte, brachte mir die Hebamme einen Brief, welcher für mich abgegeben worden sei. Ich erkannte auf dem Kuvert die Handschrift meines Verlobten und öffnete, eine freudige Überraschung vermutend.“
„Und es war doch keine?“
„Oh, es war im Gegenteil die schrecklichste Nachricht, welche mich treffen konnte.“
„Was hat drin standen?“
„Sepp, das würdest du nie vermuten, im ganzen Leben nicht!“
„Na, eine Schurkereien ist's doch!“
„Ja, der würdige Abschluß einer entsetzlichen Schurkerei. Ich werde dir den Brief vorlesen, obgleich ich seinen Inhalt auswendig weiß. Ein jedes Wort, ein jeder Buchstabe ist mir mit glühenden Zügen in die Seele geschrieben.“
Sie ging in das Nebenzimmer und kam mit einem alten, ganz zerlesenen Blatt zurück.
„Das ist der Brief“, sagte sie. „Tausende von Tränen, nein, Millionen und Abermillionen sind darauf gefallen. Sie haben die Schriftzüge verwischt, und doch kann ich sie noch lesen. Höre!“
Sie faltete das Blatt auseinander, fuhr sich mit der Hand über das Auge, als ob sie von dort einen Schleier entfernen wolle, und las langsam und mit tief bewegter und zitternder Stimme:
„Liebe Bertha.
Es ist die Zeit gekommen, in welcher ich es für geraten halte, Dir die Mitteilung zu machen, welche ich Dir wohl nicht so lange Zeit hätte vorenthalten sollen.
Wir müssen uns trennen, und zwar für immer. Zwar habe ich Dich geliebt und liebe Dich auch noch, aber das Weib eines unter einer Freiherrnkrone Geborenen hättest Du doch nie werden können. Der Sommer ist so schön. Die Sonne flimmert, und es duften die Blumen. Der Schmetterling nippt von der Rose und fliegt dann weiter. Die Rose warst Du, und der Schmetterling bin ich.
Wir haben einen schönen Traum geträumt. Jetzt müssen wir erwachen, denn das Leben ist sehr streng und verlangt nüchterne Menschen.
Natürlich habe ich von allem Anfang an diese Trennung vorausgesehen und mich danach verhalten. Ich heiße nicht von Walther. Ich habe mir diesen Namen beigelegt aus Gründen, welche Du begreifen wirst. Auch habe ich keine alte Tante, welche ich beerben soll. Das sagte ich ja nur, um Dich einmal recht innig als – Braut umarmen zu können. Diese Umarmung ist zu innig gewesen. Ich bedaure das jetzt um Deinetwillen. Aber es läßt sich nicht ändern. Natürlich bin ich so aufmerksam gegen Dich, Dir den kleinen Max nicht zu rauben. Du magst ihn als Andenken an die glücklichen Stunden behalten, welche Du in meinen liebevollen Armen verlebtest.
Forsche nicht nach mir! Es würde doch vergeblich sein. Du findest mich nicht. Und wolltest Du mich ja belästigen, so würde ich in meiner einflußreichen Stellung die Mittel besitzen, mich aller Querelen nachhaltig zu erwehren.
Ich habe Dir gestern abend zum Abschied ein Ständchen bringen lassen, damit für immerdar ein zarter, poetischer Hauch über dem Andenken an unsere Trennung schwebe. Vielleicht hätte ich das unterlassen sollen, denn dieses Ständchen habe ich fast mit dem letzten Gulden bezahlt, den ich besitze.
Ich habe in diesem verdammten Bad heuer wenig Glück, aber desto mehr Pech gehabt. Mein Geld ist alle, und alle meine Mittel sind nun erschöpft. Ich muß fast wie ein Handwerksbursche von hier abreisen und sehe mich also gezwungen, Dir die Befriedigung der Hebamme zu überlassen. Das wird Dir nicht schwer werden; Du hast ja Kleider und Wäsche genug bei Dir.
Übrigens warne ich Dich, allzu lang bei ihr zu bleiben. Ich erfuhr, daß Deine Schwester nur noch kurze Zeit zu leben habe. Vielleicht ist sie jetzt bereits tot. Wann Du an ihrem Begräbnis teilnehmen willst, mußt Du Dich also höchstwahrscheinlich beeilen.
Natürlich wünsche ich Dir und Deinem Max alles Glück dieser Erde. Es sollte mich freuen, wenn ich einst von Euch nur Erfreuliches zu hören bekäme. Also zuletzt herzlichen Dank für Deine Liebe und Hingebung. Denke zuweilen an Deinen – sogenannten
Curt von Walther.“
Es war still im Zimmer, als sie den Brief vorgelesen hatte. Sie hatte denselben auf den Tisch gelegt und blickte starren Angesichtes in die Ecke.
Der Sepp stand auf. Er stieg mit langen Schritten hin und her, stieß halblaute Flüche und Kraftworte aus,
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