68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
Es konnte sein Tod sein! Aber was anfangen?“
„Ja, was? Wann man keinen Verstand hat und keine Erfahrung und kein Geld! Mein Herrgott!“
„Da kam mir der Gedanke, das Kind einstweilen irgendwo hinzulegen, wo es gefunden werden mußte. Später konnte ich mir es ja wieder holen. Dieser Gedanke wühlte sich in meine Seele fest, und ich wurde ihn nicht wieder los. Ich wollte kein Verbrechen begehen, o nein! Nur einstweilen wollte ich mich des Kindes entäußern. Ich schrieb auf einen Zettel, den ich mir nebst Bleistift in einem Wirtshaus, in welchem ich für einige Augenblicke einkehrte, geben ließ, den Namen des Kindes auf und daß es getauft sei.“
„Hm, ja! Das stimmt!“
„Womit stimmt es?“
„Nachher! Verzählens jetzund nur weitern!“
„Dann ging ich noch stundenlang fort, bis ich an ein kleines, alleinstehendes Häuschen kam. Vor der Tür stand eine Bank, auf welche ich mich niedersetzte. Der Mann kam heraus und begann ein Gespräch mit mir. Was wir gesprochen haben, hatte ich bereits nach kurzer Zeit vergessen. Aber einiges habe ich mir bis heut gemerkt. Der Mann war Tagearbeiter auf einem nahe liegenden Einödhof und hieß Beyer. Er hatte an jenem Tag frei, weil es ein Sonntag war.“
„Beyer?“ fragte der Sepp. „Habens sich den Namen auch wirklich genau merkt?“
„Ganz genau. Ein guter Bekannter meines Vaters hieß ebenso. Das erleichterte es mir, den Namen zu merken.“
„Hm! Oh!“
Er machte wiederum ein sehr nachdenkliches Gesicht.
„Was meinst du?“ fragte sie.
„Nix, gar nix. Ich sinn nur eben nach, ob ich nicht vielleicht einen Beyer kennen tu, der Tagearbeiter auf einem Einödhof wesen ist.“
„Nun, fällt dir vielleicht einer ein?“
„Vielleicht, wann ich noch länger nachdenk. Es ist mir, als ob ich diesen Namen schon mal hört hätt.“
„Das sollte mich außerordentlich freuen, denn all mein Forschen ist vergeblich gewesen. Der Mann hatte ein so gutes Auge, ein so ehrliches Gesicht. Ich beschloß, ihm den Knaben dazulassen. Ich fragte ihn, ob ich nicht ein Glas Milch erhalten könne, und er ging, es zu holen. Die Zeit, in welcher er mich allein ließ, benutzte ich, den Knaben auf die Bank zu legen und mich zu entfernen. Aber ehe ich es tat, kam mir der Gedanke, ob ich dem Kind nicht ein Andenken zurücklassen möchte. Ich habe von meiner Mutter ein kleines Kreuz von Rosenholz, dieses hier, welches du mir gebracht hast. Ich nahm es vom Hals, um es dem Knaben umzuhängen. Er schlief so schön, und seine Mutter wollte ihn verlassen. Das griff mir tief in das kranke Herz hinein. Ich hatte das Kreuz an die Lippen gelegt, um es noch einmal zu küssen. In meinem Schmerz nahm ich es zwischen die Zähne und biß darauf. Die Zähne gruben sich tief in das Holz ein. Ich sah es und brach das halb abgebissene Stückchen vollends ab. Es konnte mir ja als Erkennungszeichen dienen; dieser Gedanke kam mir.“
„So also ist's gewest. Ich hab nicht begreifen könnt, warum das kleine Stückle ist abbrochen worden.“
„Ich hängte dem Kind das Kreuz um, steckte den Zettel in das Tuch und eilte von dannen. In der Nähe gab es ein Gebüsch, an welches sich der Wald anschloß. Dort konnte man mich im Falle der Verfolgung nicht leicht finden; also suchte ich den Wald zu gewinnen, und das gelang mir auch.“
„Und haben 'S sich die Gegend merkt?“
„Ja. Es war in der Nähe von Regensburg, wie ich dir früher ja gesagt habe, daß deine Nachforschungen dort von Erfolg sein könnten.“
„Sind's aber doch nicht gewest.“
„Die meinigen auch nicht. Freilich bin ich nicht so bald wieder hingekommen, wie ich mir vorgenommen hatte. Ich lief damals im Wald immer nach Osten hin und ließ mich an diesen und am folgenden Tag von keinem Menschen erblicken. So kam ich über die kaiserliche Grenze auch nach Hause.“
„Und wie stand's da?“
„Als ich kam, war's am Abend, und sie hatten meine Schwester grad in den Sarg gelegt.“
„Du lieber Herrgott im Himmel droben!“
Die Bürgermeisterin senkte den Kopf und weinte. Es dauerte lange, ehe sie wieder fortfahren konnte.
„Das war schrecklich, schrecklicher wohl noch als alles, was vorher geschehen war. Der Vater hatte meiner Herrin geschrieben und die Nachricht erhalten, daß ich längst fort sei. Ich fand keine andere und bessere Ausrede, als daß ich unterwegs erkrankt sei. Das glaubte man mir sofort, denn ich hatte ja das Aussehen einer Leiche. Weiter konnte ich nichts sagen. Ich sah die tote Schwester und den alten,
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