69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
dreien wollte den Ehrentitel für sich erwerben, und ein jeder brachte seine guten Gründe vor. Gut waren sie alle, diese Gründe, aber diejenigen des Schmiede-Menzel waren doch die besten, wie auch die ganze Gemeinde einstimmig anerkannte. Er hatte sich nämlich sein Instrument selbst repariert, und er hatte, wie nun auch der Herr Lehrer bezeugte und mit hundert Eiden beschwören wollte, Orgelnoten achtstimmig auf der Klarinette geblasen. Das war maßgebend. Der Klarinetten-Menzel wurde Konzertmeister und Musikdirektor. Die beiden andern fügten sich. Nur machte der Schuster zur Bedingung, daß das vereinte Korps nach seinem wohlbekannten Namen die Wenzelei genannt werden müsse, und der Schneider bedang sich aus, daß er, während er den Baß strich, sich niemals zu setzen brauche. „Denn“, sagte er, „ein wahrer Künstler muß stramm am Baß stehen.“
Heut nun sollte getanzt werden. Alle bekannten Musici der Umgegend waren aber vergriffen, und so hatte sich gestern am Abend eine Deputation der Jungburschen zum Herrn Musikdirektor begeben, um ihn zu veranlassen, mit seinem Korps zu erscheinen. Er hatte zugesagt, war aber nicht gar zu eilig eingetroffen, denn er hatte einmal gehört, daß es vornehm sei, spät zu erscheinen.
Aus diesem angegebenen Grund waren die drei Virtuosen nicht direkt nach dem Saal gegangen. Sie hatten sich zunächst hier unter dem Baum niedergelassen, um sich an einem Bier zu stärken.
Indessen blickten die Burschen und Mädchen voller Sehnsucht durch die Fenster herab. Sie hätten die Musikanten sehr gern gerufen; aber das ließen sie wohlweislich bleiben, denn der Schmied konnte es nicht leiden. Er pflegte anzufangen und aufzuhören, wenn es ihm paßte. War man damit nicht zufrieden, so ging er einfach nach Hause, und keine Gewalt der Erde hätte vermocht, ihn zurückzurufen. Dann hatte es natürlich auch mit dem Tanz ein Ende.
Als Ludwig jetzt näher kam und die ‚Wenzelei‘ erblickte, zuckte ihm ein guter Gedanke durch den Kopf. Der Musikdirektor hielt große Stücke auf ihn, da sie ja Landsleute waren. Das bewies er auch jetzt wieder, denn er rief ihm bereits von weitem zu:
„Na, Ludwig, wo bleibst denn so lange? Deine Muttern hat's uns sagt, daßt kommen willst, und da hab ich nicht ehern beginnen wollt, bist da bist. Dich hab ich ja noch niemals tanzen sehen, und meinem Landsmann muß ich doch einen gar Feinen vormuserzieren.“
„So? Was denn für einen?“
„Einen Walzer aus B-Duren, mit sechzig Trillern und Schnörkeln, wiest noch nimmer einen hört hast.“
„Wissen's denn die beiden andern auch schon bereits?“
„Sie haben ihn noch nicht hört, aber das tut nix bei so einspielten Truppen, wie wir halt sind. Sie mögen ihre zwei Tonarten machen, ich find schon auch noch die meinige dazu. Die Hauptsach ist und bleibt doch stets, daß wir zusammen anfangen und auch zusammen aufhören. Das andere ist nur Nebensach und wird von der richtigen Disziplin recht bald funden. Ein richtiger Kapellmeister und Musikdirektoren weiß schon, sich zurechtzufinden, wann auch einer seiner Musikum ein paar Pausen zu viel oder zu wenig blasen tut.“
Dieser letztere Ausdruck schien den Posaunen-Wenzel zu beleidigen. Er mußte ja gemeint sein, da sein anderer Kollege, der Rumpel-Frenzel, ja nicht blies, sondern den Baß strich. Er sagte daher:
„Bitte sehr schön, Herr Musikdirektor! Ich blase niemals zu viel. Mich kennt die ganze Gemeinde als einen schenerösen Künstler. Ich gebe stets einige Takte zu, manchmal sogar eine ganze Klause.“
„Ja“, stimmte der Schmied bei, um ihn zu beruhigen, „das weiß ich halt recht gut. Und dich hab ich auch gar nicht meint. Ich hab nur sagen wollt, daß keiner von uns jemals irrezumachen ist.“
„Ja“, nickte der lange Schneider, „das ist sehr wahr. Wir sind nicht aus dem Konzept zu bringen. Nicht einmal ich, obgleich ich das schwerste Instrument hab.“
„Du?“ fragte der Schuster.
„Freilich ja.“
„Wieso denn?“
„Ich hab ja vier verschiedene Saiten zu streichen. Du aber hast nur eine Posaune. Ich hab ferner mit der rechten Hand zu sägen und mit der linken zu greifen. Das macht die Sache schwierig. Habe ich nicht recht, Herr Direktor?“
„Recht hat nur derjenige, welcher sagt, daß ein jedes Instrumenten seine eigenen und sonderlichen Schwierigkeiten besitzt“, entschied der Schmied. „Du streichst und greifst mit den Händen. Wir aber brauchen alle Finger und außerdem auch noch das ganze Maul dazu. Du hast
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