69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
Er war nämlich stets zugespitzt, mit aufgeblasener, vorgeschobener runder Oberlippe. Das sah sehr possierlich aus, hatte aber einen guten Grund, und dieser Grund war die Klarinette.
Eines schönen Tages nämlich, kurz nachdem er hier ins Dorf gezogen und sich die Schmiede nebst einem kleinen Äckerlein gekauft hatte, war ein alter Mann, welcher mit altem Eisen handelte, zu ihm gekommen und hatte ihm einen Sack voll dieser Ware zu einem wahren Schundpreise angeboten. Der Schmiede-Menzel hatte das alte Eisen gekauft und dann unter demselben die Klarinette gefunden.
Das liebe Instrument hatte freilich nur aus den hölzernen Teilen bestanden. Die messingenen Klappen hatten sich aus dem Staub gemacht; die Löcher waren verstopft, und am Schnabel fehlte das Rohrblatt, ohne welches selbst die beste Klarinette kein menschliches Herz zu rühren vermag. Das hatte den guten Menzel tief erbarmt. Er hatte beschlossen, sich des verwaisten Instrumentes als Pflegevater anzunehmen, und begann dann, die Blößen desselben zu bedecken. Er schmiedete und feilte sich selbst neue Klappen zurecht und nagelte sie an Ort und Stelle fest. Sodann bohrte er die verstopften Löcher wieder aus, freilich mit einem Bohrer, welcher viel zu stark war, und endlich brach er, da er keines Rohrblattes habhaft werden konnte, sich ein Stück von einer hölzernen Streichholzschachtel ab und band es mit starkem Eisendraht auf dem Schnabel fest.
So war das große Werk gelungen. Er kam sich vor wie ein berühmter Instrumentenbauer und rief das ganze Dorf zur ersten Musikprobe zusammen. Diese hatte, aufrichtig gestanden, einen ganz außerordentlichen Erfolg. Als er zum ersten Mal oben hineinblies, heulte und jammerte es unten heraus wie von tausend Gespenstern, und die sämtlichen Löcher winselten und fiepten so, daß er sie sofort mit allen zehn Fingern zustopfte, denn mit seinen neuen Klappen konnte er sie nicht verschließen, da er die Gelenke derselben auch mit festgenagelt hatte.
Aber sein musikalisches Genie setzte sich über solche Nebensachen leicht hinweg. Er blies und blies, bis sein Mund für immer und ewig, selbst des Nachts im Schlaf, die Gestalt des Klarinettenschnabels annahm. Wenn auch jedes Loch der Klarinette in einer anderen Tonart stand, und wenn er auch monatlich für den Schnabel mehr Streichhölzerschachteln brauchte, als er in einem Jahr Streichhölzer verbrennen konnte, er blies eben weiter und brachte es zu einer solchen Virtuosität, daß er zuletzt beim Blasen die Augen gar nicht mehr aufmachte.
Sogar Noten hatte er sich gekauft und sie einstudiert. Eines schönen Tages aber hatte ihm der Herr Lehrer mitgeteilt, daß es Orgelnoten seien, die nur mit zwei Händen und zwei Füßen gespielt werden können. Seit jener Stunde hatte er nie wieder ein Wort mit dem Lehrer gesprochen, und nur des Nachts, wenn alles schlief, blies er noch diese Orgelfugen, bis ihn seine zornige Frau beim Wickel nahm und ins Bett schleuderte. Die Klarinette kam dann stets unter das Kopfkissen zu liegen; sie konnte gut ruhen, da nun die Frau Schmiedemeisterin aus ihrem natürlichen Schnabel zu schimpfen begann.
Diese drei Musikliebhaber hatten sich selbstverständlich sehr bald zusammengefunden. Sie begannen heimlich zu üben, draußen im Wald oder in einer abseits gelegenen Scheune oder in einem fernen Steinbruch. Es klappte besser und immer besser. Zuletzt hatten sie eine solche Übung erlangt, daß, wenn der eine begann, auch die andern beiden anfingen. Und wenn einer endlich aufhörte, weil er müde wurde, so brachten die andern beiden höchstens nur noch zehn bis zwölf Fußtritte, die sie Takte nannten, und hörten nachher auch mit auf. Mehr konnte doch nicht verlangt werden.
Schließlich wurde sogar ein so meisterhaftes Zusammenspiel erreicht, daß sie den Walzer ganz richtig im Sechsachtel- und den Galopp im Zweivierteltakt nudelten. Und nun traten sie zum ersten Mal öffentlich auf. Der Erfolg war gradezu und wörtlich ein durchschlagender.
War es ein Wunder, daß man sie nach und nach immer mehr schätzen lernte? Endlich kam es sogar soweit, daß, wenn keine auswärtigen Musikanten zu erlangen waren, die drei Künstler gebeten wurden, dem Alter und der Jugend zum Tanz aufzuspielen. Sie taten es mit stolzem Herzen und steckten voller Genugtuung die Kupferkreuzer ein, welche sie nun ernteten.
Aber nun, da sie ein festgeschlossenes Musikkorps bildeten, stellte sich die Notwendigkeit ein, unter sich einen Direktor zu wählen. Jeder von den
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