69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
gewünschte Wirkung hervorbringen?“
„Ganz gewiß. Du weißt es ebensogut, daß die Grenzbeamten jetzt ihre Augen verteufelt offen halten. Man muß alles versuchen, sie zu täuschen. Der Brief, von dem ich rede, soll zwei Fliegen mit einem Schlag treffen. Er soll uns die Gegner vom Hals schaffen und zugleich den Ludwig in den Verdacht bringen.“
„Darf ich den Inhalt wissen?“
„Natürlich. Er wird so abgefaßt, als ob er von einem hiesigen Pascherkaufmann an einen jenseitigen geschickt worden sei. Es wird dem letzteren gemeldet, er solle sich darauf einrichten, daß heut Nacht ein Uhr, zwanzig Träger mit Spitzen und Seide durch das Hainholz die Grenze passieren würden.“
„Hm! Ich beginne zu begreifen. Die Grenzbeamten werden infolgedessen das Hainholz besetzen; wir aber gehen über den Föhrenbusch.“
„So ist es.“
„Dazu ist es aber notwendig, den Beamten den Brief in die Hände zu spielen.“
„Der Ludwig wird ihn besorgen.“
„Der? Freiwillig etwa?“
„Sogar sehr freiwillig.“
„Das glaube ich nicht.“
„Und ich bin überzeugt davon. Ich habe eine alte Brieftasche; in diese wird der Brief gesteckt, nachdem er ganz fehlerhaft zugemacht worden ist, so daß man leicht zu dem Inhalt kann. Der Ludwig wird in der Früh mit seiner Mutter heim nach Oberdorf gehen. Du gehst ihm voraus und legst ihm an einer dazu passenden Stelle die Tasche hin; aber er darf dich ja nicht erblickt haben.“
„Sapperlot, der Plan ist ausgezeichnet!“
„Nicht wahr?“
„Ja. Er wird die Brieftasche finden und aufmachen.“
„Nachher den Brief auch, weil dieser keine Adresse hat und das Kuvert so lose zusammengemacht ist, daß es bei der ersten Berührung auseinandergeht. Er liest den Brief und wird nichts eiligeres zu tun haben, als ihn der Behörde zu übergeben.“
„Aber das schadet ihm doch nichts.“
„Nein, das nicht.“
„Wie soll er für einen Pascher gehalten werden?“
„Dadurch: Kurze Zeit später, nachdem er seinen Brief abgegeben hat, gelangt ein anderer an die Behörde, in welchem ungefähr folgendes zu lesen ist:
‚Der gewesene und aus dem Dienst gejagte Knecht Ludwig Held ist einer der gewandtesten Paschgänger der ganzen Grenze. Er wird heute Ihren Beamten Sand in die Augen zu streuen versuchen, indem er einen selbst verfertigten Brief vorzeigt, von welchem er angeben will, ihn gefunden zu haben. In demselben steht, daß ein bedeutender Pascherzug heute Nacht ein Uhr durch das Hainholz gehen werde. Während nun die Grenzwache nach diesem Punkt gezogen wird, geht der Pascherzug an einem weit südlicher gelegenen Ort über die Grenze. Also, hüten Sie sich!‘“
„Und die Unterschrift?“
„Gar keine oder eine fingierte natürlich.“
„Aber die Sache hat einen höchst bedenklichen Haken.“
„Ich wüßte nicht, welchen.“
„Die gleiche Handschrift der beiden Briefe.“
„Darum sorge du dich nur nicht. Jeder der beiden Briefe wird von einem anderen geschrieben. So gescheit sind wir auch, um da unsere Maßregeln zu treffen. Also willst du die Sache übernehmen?“
„Wenn sie einen Verdienst abwirft, ja.“
„Ihr seid doch Halunken. Keiner will einen Schritt umsonst tun.“
„Umsonst ist nicht einmal der Tod, denn auch da sind die Begräbniskosten zu bezahlen.“
„Du sollst den Weg bezahlt bekommen, mußt dich aber früh aufmachen, denn ich weiß nicht, wann der Knecht aufbrechen wird. Dann postierst du dich an einen Ort, von welchem aus du den Ludwig kommen siehst, ohne selbst von ihm bemerkt werden zu können. Du mußt genau aufpassen, ob er die Brieftasche findet und das Schreiben öffnet. An dem Ausdruck seines Gesichts kann ein gescheiter Kerl erkennen –“
„Na, ich rechne mich nicht zu den Dummköpfen. Oder bin ich einer?“
„Ich halte dich für ziemlich durchtrieben. Also aus seinem Gesichtsausdruck wirst du zu erkennen vermögen, was er denkt und ob er den Brief abgeben wird.“
„Werde schon aufpassen.“
„Das hoffe ich. Den Brief bringe ich dir nachher hinüber. Diese Angelegenheit ist also beendet. Jetzt kannst du herabkommen. Ich habe den Wagen gehört. Bekümmere dich aber vorher einmal um Usko!“
Der Slowak rüttelte seinen Kameraden. Dieser aber war jetzt so fest im Schlaf, daß er ohne besondere Anstrengung nicht zu erwecken war.
Die beiden entfernten sich.
Ludwig hatte den Bauer für keinen Engel gehalten, aber daß er eines solchen Planes fähig sei, das hatte er niemals gedacht. Vielleicht war dieser Anschlag dem
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