69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
wundern, wenn er hört, daß der Empfänger nichts bezahlt, weil er nur Lumpen erhalten hat. Dann wird er klein beigeben.“
„Er war bereits jetzt ganz sanft. Er tat sogar fromm, was ihm früher niemals eingefallen ist. Na, die Stränge sind in Ordnung. Steig ein! Es kann fortgehen!“
Während die beiden vorn aufstiegen, kroch der Knecht behend herbei, griff sich hinten an der Oberleiste fest und setzte die beiden Füße in die Schlinge. Er stand in der letzteren ganz hübsch und sicher, so daß er seine Hände gar nicht sehr anzustrengen brauchte. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung, erst langsam und dann in schnellem Trab.
Bis zu dem Dorf, in welchem die Osecs wohnten, hatte man eine gute Stunde zu gehen. Zu Wagen gelangte man in einer halben hin, selbst jetzt bei Nacht, da der Weg ein guter und dem Geschirrführer wohlbekannt war.
Das Gut, welches die beiden bewohnten, lag vor dem Dorf. Ludwig kannte es genau, ebenso von innen wie von außen. Er war als Bote seines Herrn sehr oft da gewesen.
Am Tor angekommen, mußte der Wagen halten, bis es aufgeschlossen wurde. Diese Gelegenheit benutzte Ludwig, aus der Schlinge zu steigen und dieselbe von der Achse zu lösen. Dann schlich er sich fort, längs eines niedrigen Zauns hin, welchen er an einer gewissen Stelle überstieg. Nach wenigen Schritten stand er an der hinteren Seite des Hauptgebäudes.
Dieses letztere war im Gebirgsstil erbaut, mit weit hervorstehendem Dach, unter welchem im Stockwerk oben ein hölzerner Söllergang um alle vier Seiten des Hauses lief. Diese Galerien, welche man besonders in Oberbayern, Tirol und der Schweiz zu sehen bekommt, werden meist von hölzernen Säulen getragen. So auch hier. Ludwig ergriff eine dieser Säulen und flüsterte, wie sich aufmunternd, vor sich hin:
„Hier müssen wir halt hinauf. Da ist die Stub von dem Alten und daneben seine Schlafkammern. Von dem Söller aus kann man in beide schauen, und es ist sogar eine Tür da, durch welche man auf den Hausboden kommen kann.“
Es war ihm ein Leichtes, da hinaufzuklettern und über die Brüstung zu steigen. Er befand sich nun auf der Galerie. Er schlich sich leise nach der vorderen Seite des Hauses und bemerkte, daß die beiden noch im Stall waren. Die andern Bewohner des Hauses schliefen jedenfalls.
„Das paßt ausgezeichnet“, sagte er sich. „Da hab ich noch gut Zeit, mir den Eingang zu verschaffen.“
Er schlüpfte zu der Tür, welche von der Außengalerie hinein in das Innere des Stockwerks führte. Sie war leicht zu öffnen, auch von außen. Er trat da ein und tastete sich möglichst rasch nach der Stube des alten Osec, in welcher er auch schon einige Male gewesen war. Die Tür war nicht verschlossen. Er huschte hinein und drehte die Wirbel des einen Fensters auf, so daß dasselbe von der Galerie aus aufgestoßen werden konnte. Nachdem er sich so den ‚Einbruch‘ erleichtert hatte, kehrte er eiligst auf demselben Weg nach der Galerie der hinteren Hausseite zurück. Dort kauerte er sich neben dem Fenster, dessen Wirbel er von innen geöffnet hatte, nieder und wartete auf den Alten, der nun jedenfalls bald zu Bett ging und vorher den Wechsel und die Empfangsbescheinigung ins Pult in Sicherheit brachte. Bei dieser Gelegenheit konnte Ludwig hoffentlich sehen, in welcher Abteilung oder in welchem Fach die Wertpapiere, nach deren Besitz er strebte, steckten.
Was er zu unternehmen beabsichtigte, war gefährlich. Ertappte man ihn dabei, so wurde er ganz sicherlich als Dieb festgenommen und bestraft. Sein Gewissen aber sagte ihm, daß er kein Verbrechen beabsichtige, sondern daß im Gegenteil das, was er vorhatte, eine gute und lobenswerte Tat sei. Dieses Bewußtsein gab ihm den Mut und die innere Ruhe, deren er bedurfte, wenn sein Unternehmen gelingen sollte.
Er hatte nicht lange zu warten, so hörte er Schritte, welche sich der Stube näherten. Die Tür ging auf und der alte Osec tat ein, eine hellbrennende Lampe in der Hand, hinter ihm sein Sohn.
Der Alte setzte die Lampe auf den Tisch, hing seinen Hut an den Nagel, griff dann in die Tasche, aus welcher er die beiden bereits erwähnten Papiere hervorzog, mit ihnen noch ein drittes, einen Brief. Diesen letzteren bemerkend, sagte er:
„An den habe ich gar nicht gedacht. Das ist der Brief, den der Kery an die Grenzbehörde geschrieben hat, damit sie den Ludwig für einen Pascher halten sollen. Er hat ihn mir zur Besorgung gegeben, weil wir näher an der Bahn wohnen als er.“
„Er sollte aber doch
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